Allrad: permanent oder zuschaltbar?

Zuschaltbarer Allrad

Unser ehemaliger Fuso-Canter 4×4 (Euro6) hatte zuschaltbaren Allradantrieb, Freilaufnaben und ein Untersetzungsgetriebe. In der Werbung hört sich das toll an: Steigfähigkeit bis 60%, robust und für den rauhen Einsatz gebaut und gleichzeitig sparsam, flink und wendig wie ein 2×4. In der Praxis verstand ich erst, was es tatsächlich damit auf sich hat:

Freilaufnaben:
Durch Freilaufnaben an der Vorderachse ist es möglich, die vorderen Räder von dem Antriebsstrang zu lösen. So drehen sich bei der Fahrt weniger Teile (Antriebsachsen, Kardanwelle, Getriebeteile) und man kann theoretisch etwas Diesel sparen. Auch soll sich der Wendekreise etwas verkleinern, wenn die Freilaufnaben offen sind. Uns sind diese Vorteile in der Praxis nicht aufgefallen. Wir haben dafür aber festgestellt, dass es oft nur kleine Passagen sind, für die man wirklich den Allradbetrieb benötigt und diese kommen meist überraschend und bei schlechtem Wetter. Um den Allradantrieb nutzen zu können, muss man dann aussteigen und die Freilaufnaben an den Achsen auf beiden Seiten händisch sperren. Die dann natürlich meistens dreckig sind. Also lässt man sie irgendwann gesperrt, womit sie keinen Vorteil mehr bieten, und man kann dann einfach über einen Schalter den Allradantrieb ein- und ausschalten.

Version 2
Freilaufnaben an einem Fuso Canter 4×4 – Drehschalter mit Open – Lock Stellung

Zuschaltbarer Allradantrieb:
Wenn man den Allradantrieb zuschaltet, wird beim FUSO Canter 4×4 im Verteilergetriebe über ein Zahnrad (Klauenkupplung) eine starre Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse geschaltet, ein Ausgleichsgetriebe (Differential) gibt es nicht. Somit ist also jedesmal, wenn alle vier Räder angetrieben werden, kein Ausgleich der unterschiedlichen Radumdrehungen zwischen Vorder- und Hinterachse möglich. Es treten bei Kurvenfahrt auf festem Untergrund, wenn die Reifen nicht durchdrehen können, enorme Verwindungen im Antriebsstrang auf. (Dies liegt an den unterschiedlichen Radien, in denen die vier Räder in der Kurve laufen). Auf Schnee, Eis, Sand und Matsch rutschen die Reifen einfach ein bisschen durch.

Selbstsperrendes Hinterachsdifferential:
Beim Fuso Canter 4×4 ist als Besonderheit an der Hinterachse ein selbstsperrendes Differential (Limited Slip/LS) verbaut. Dieses LS-Differential ist grundsätzlich gesperrt und wird über die Kräfte, die die Räder in Kurvenfahrten auf die Rutschkupplung ausüben, geöffnet. Aber Achtung: Je mehr Kraft von der Kardanwelle auf das Differential übertragen wird (bei Steigungen, Beschleunigung und Einsatz von Motorbremse), desto größer ist die benötigte Kraft der Räder, um die Sperre zu lösen. Also nicht in steilen Kurven anfahren oder gar beschleunigen! Werden größere Räder als die Originalbereifung montiert, vergrößert sich der Hebel und somit das Drehmoment/die Kraft entsprechend, die auf den Antriebsstrang einwirkt bzw. einwirken muss. Wenn dann noch das Fahrzeuggewicht über das von FUSO vorgegebene zGG von 6,5t liegt, werden die Krafteinwirkungen auf den Antriebsstrang entsprechend vergrößert. Eine sehr gute Erklärung findet man auf www.limitedslip.de.

Untersetzungsgetriebe:
Das Untersetzungsgetriebe des FUSO Canter 4×4 verringert die maximale Geschwindigkeit der einzelnen Gänge um den Faktor 1,987 und gleichzeitig erhöht es die Kraft um diesen

IMG_0669Faktor. So sind theoretisch das Anfahren an steilen Bergen, das Rangieren in unwegsamem Gelände und an Steigungen problemlos möglich. Gerade wenn das Fahrzeug vom Gewicht am (über) dem Limit bewegt wird und/oder größere Räder montiert werden, ist diese Untersetzung unverzichtbar. Jetzt ist es aber bei dem Fuso Canter 4×4 so, dass das Untersetzungsgetriebe nur in Verbindung mit dem Allradantrieb einzuschalten ist.

Braucht man nun, an Steigungen oder zum Rangieren, das Untersetzungsgetriebe, ist vorher der Allradantrieb zwingend einzuschalten. Somit ist auch immer gleich das (nicht vorhandene) Mitteldifferential und das Hinterachsdifferenzial (laut FUSO bis zu 70%) gesperrt. Das ist auf rutschigem Untergrund und bei Geradeausfahrt positiv, jedoch bei gemischtem und kurvigem Gelände wird der Antriebsstrang (Hauptgetriebe, Verteilergetriebe, Kardanwellen, Differential und Antriebswellen) und Achsaufhängungen durch Verspannungskräfte extrem beansprucht, was deutlich hörbar ist. Nach bereits 8-monatigem Einsatz sahen die Gummilagerungen der Vorderachse bei unserem ehemaligen Fuso Canter 4×4 stark beansprucht aus:

Wir haben das Untersetzungsgetriebe öfter gebraucht als den Allradantrieb, aber leider ist dieses ja nicht ohne Allradantrieb nutzbar!

Permanenter Allrad

Unser Benz hat nun permanenten Allradantrieb, ein Untersetzungsgang und einzeln zuschaltbare Sperren für das Mittel- und Hinterachsdifferential. Es werden ständig alle vier Räder gleich angetrieben. Durch die Differentiale findet der Ausgleich der unterschiedlichen Radumdrehungen in Kurvenfahrten statt. Wenn nun ein Rad auf lockerem oder rutschigem Boden durchdreht, geht die gesamte Antriebskraft an diesem verloren. Um das zuverhindern, kann man die Differentiale einzeln oder gleichzeitig zu 100% sperren. Ist das Differential zwischen Vorder- und Hinterachse gesperrt, wird immer ein Rad an der Vorderachse und ein Rad an der Hinterachse angetrieben. Wird das Differential in der Hinterachse gesperrt, werden immer beide Hinterräder angetrieben, auch wenn eines keine Haftung hat. Sind beide Sperren eingelegt, werden immer beide Hinterräder und ein Vorderrad angetrieben.

Durch den permanenten Allrad ist die Abnutzung der Reifen relativ gleichmäßig auf die Vorder- und Hinterachse verteilt.

Wenn die Sperren eingelegt sind, gelten natürlich die gleichen Aussagen zu Verspannungen des Antriebsstranges,  allerdings können wir diese jetzt einzeln und unabhängig vom Untersetzungsgetriebe einlegen und können diese Verspannung vermeiden. So sehen dann Gummis der Achsaufhängung auch nach 30 Jahren Feuerwehreinsatz noch entspannter aus:

Der Benz verfügt über einen Geländegang mit einer Untersetzung um den (ca.) Faktor 1,8. Diesen können wir zwar nur im Stand, aber unabhängig von den Differentialsperren einschalten. So können wir ohne weiteres langsam rangieren und diesen nicht nur im Gelände, sondern auch auf den steilen Pass-Straßen nutzen.

Für uns hat sich in der Praxis herausgestellt, dass der permanete Allrad für unseren Einsatz geeigneter ist. Wobei dies im Wesentlichen durch das unabhängig nutzbare Untersetztungsgetriebe begründet ist.


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