Odyssee Teil 1 – Kiew und ein komisches Geräusch 

Es ist so viel passiert, dass wir die letzten Tage Revue passieren lassen mussten und gemeinsam diskutiert haben, was eigentlich passiert ist und wieviel Glück wir teilweise gehabt haben. Die folgenden Beiträge, die die Geschehnisse von nur 4 Tagen wiedergeben, sind für uns so ausführlich, damit wir immer nachlesen können, was wir durchgemacht haben :). Viel Spaß beim Lesen! 🙂

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Wir hören seit etlichen Kilometern, nachdem wir die ukrainische Grenze passiert haben, ein surrendes Geräusch, das immer lauter wird. Alex hört es schon seit Finnland, aber da war es noch nicht so laut, dass er sich Sorgen gemacht hat. Wir können uns nicht richtig erklären, woher es kommt. Alex vermutet, dass es das Getriebe ist, aber sicher kann man sich da nie sein. Also fahren wir mit ein bisschen Umweg, wir wollen ja auch mal abseits der Straße gucken, nach Kiew: ein Werkstattbesuch steht an, um das Geräusch checken zu lassen. Die A-142 fängt in Russland an, zieht sich über 360 km schnurgerade über die russisch-ukrainische Grenze, wo sie als M-02 fast bis nach Kiew reicht. Die Straße ist sehr gut, aber wehe man fährt herunter: riesengroße Löcher. Im Slalom fahren wir um die Löcher herum…

Nachdem wir unsere erste Nacht in der Ukraine versteckt im Wald hinter uns gebracht haben, sind wir ein paar Kilometer unterwegs, als plötzlich die rote Warnleuchte angeht: Der Motor ist überhitzt! Alex reagiert sofort, bringt den Fusel zum Stehen und schaltet unverzüglich den Motor aus. Als sich Alex den Motor anschaut sieht er, dass der obere Kühlwasserschlauch abgeplatzt ist! Die Schlauchschelle ist gebrochen; die Schraube ist weg. Alex‘ Vermutung: dass die Schelle vielleicht zu fest angezogen wurde. Die Schelle können wir jedenfalls nicht mehr benutzen. Glücklicherweise haben wir ein kleines Sortiment an Schlauchschellen dabei. Aber nur eine Schlauchschelle von den vielen passt. Wasser nachgefüllt und schon können wir weiterfahren.

Nach der letzten Nacht vor Kiew wird das Geräusch, das wir schon so lange hören, beängstigend laut. Es vibriert nun im 4. und 5. Gang, wo es vorher im 2. oder 3. Gang nur zu hören war. Noch 290 km liegen vor uns, also wollen wir so schnell wie möglich zur Werkstatt. Wir kommen gerade in Kiew an, da knallt es irgendwo unter dem Auto. Irgendetwas ist herausgebrochen; ein Zahn vom Zahnrad vielleicht. Wir haben Angst, dass wir es nicht bis zur Werkstatt schaffen werden. Noch in Russland haben wir uns einen Pin in unsere Karte gesetzt, wo sich die Werkstatt in Kiew befinden soll. Als wir in die Straße einbiegen, ist da keine Werkstatt. Nur Baustelle und Wohnblocks. Und wir haben kein Internet, um noch einmal zu recherchieren. Als wir etwas durch die Gegend fahren, finden wir eine VW Niederlassung und wollen dort einfach mal fragen. VW bietet, wie viele andere Autohäuser auch, Internet für Gäste an. Wir suchen erneut im Internet auf der Fuso Seite, finden aber nichts! Wir fragen bei VW nach. Die Dame schickt uns zwei Straßen weiter, aber da ist nur ein Händler der auch Mitsubishi PKWs  verkauft. Der dortige Mitarbeiter ist so freundlich und schreibt uns eine Straße auf, die wir aber während der Fahrt nicht finden können; ein Problem von maps.me. Wir landen wieder bei VW, suchen erneut im Internet. Finden nix. Alex telefoniert mit dem ADAC, ob der uns eine Werkstatt empfehlen und uns die Adresse per SMS zuschicken könne. Ein VW-Mitarbeiter kommt vorbei; er spricht Englisch!! Er ist unheimlich hilfsbereit und telefoniert für uns herum, sucht im Internet. Er landet bei Mercedes für PKW, aber die können uns verständlicherweise nicht helfen. Leider haben sie auch keine Idee, wo uns geholfen werden kann. Schließlich erhalten wir eine Adresse vom ADAC, eine Mercedes LKW Werkstatt, die sollte richtig sein!

Noch am Abend hört man sich unser Geräusch an: sofort vermuten die Jungs von der Fahrzeugannahme, dass es vom Differential kommt. Schon wieder? Das hatten wir doch erst vor vier Monaten in Norwegen reparieren lassen! Den Fusel will man sich am nächsten Tag trotzdem nochmal genauer anschauen, also wollen wir bei der Werkstatt parken. Das sei kein Problem, nur nicht auf dem Gelände; aus Sicherheitsgründen. Wir sollen uns direkt neben das Gelände zum Wachposten stellen! Wo unser Dieseltank sei? Auf der Fahrerseite, warum? Wir sollen unbedingt mit dieser Seite zum Wachposten stehen: in der Ukraine klaue man Diesel. Wahrscheinlich würde nichts passieren, aber man wüsste ja nie. Später sehen wir überall an der Hauptstraße Kleinwagen, wo Diesel mit fraglichem Hintergrund in Kanistern günstig verkauft wird:

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Am nächsten Tag schaut man sich das Öl im Differential an: es sind viele Metallspäne im Öl! Das ist gar nicht gut! Das heißt, irgendwo ist Abrieb. Das Getriebeöl wird ebenfalls angeschaut, dort findet sich Aluminiumabrieb. Der Abrieb ist so fein, dass das Öl aussieht wie eine Paste! Angeblich sei das kein Problem. Alex möchte gerne beide Öl erneut haben, aber dies wird abgelehnt. Das Getriebeöl kippt man also wieder rein. Man wechselt in der Werkstatt nur das Öl im Differential und hat Angst, dass wir die Kosten von „unglaublichen“ 43€ nicht zahlen (wir haben mit dem Vierfachen gerechnet…).

Mehr will man hier nicht für uns tun. Mercedes in der Ukraine ist kein Servicepartner für FUSO und man schickt keine Ersatzteile dort hin. Die bleiben schon mal über etliche Jahre im Zoll hängen. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass die Gewährleistung am Fahrzeug nicht für Arbeiten in der Ukraine gilt. Wollten wir also in Kiew unser Hinterachsdifferential erneuert haben, müssten wir das selbst bezahlen! Um Gottes willen! Aber das ist ohnehin alles egal, weil man uns in der Ukraine nicht helfen kann, denn man hat dort keine Dokumentation über das Fahrzeug. Wir sind also in einer ziemlich blöden Situation, kann man sagen.

Wir werden weggeschickt; wir müssen zu einer Werkstatt innerhalb der EU. Alex fragt, ob das nicht ein Problem wäre, denn da scheint ja ordentlich was kaputt zu sein und wir wollen ja nicht irgendwo in der Pampa plötzlich mit einem Schaden stehen; es hat ja schließlich ordentlich gerumst. Nein, das sei kein Problem; wir würden damit noch weit kommen. Aha, na wenn die Experten das sagen…

Wir telefonieren mit After Sales von FUSO und man will uns nach Polen schicken. Das liegt aber gar nicht auf unserer Reiseroute und nicht im schönen warmen Süden, am Meer. Wir lassen ihn püfen, ob auch Rumänien ginge; zB Konstanza. Falls nicht, würden wir nach Polen fahren. Wir fahren rum und suchen nach einem Campingplatz, wäre ja schon schön, etwas von Kiew zu sehen. Vergeblich: Wo wir auch gucken, sämtliche Campingplätze sind weg. Verwildert oder es gibt sie einfach nicht mehr! Aufgrund der russisch-ukrainischen Krise gibt es keine Urlauber mehr, die die Campingplätze aufsuchen. Die Internetseiten der Campingplätze gibt es sogar noch, aber als wir anrufen, sind die Nummern nicht mehr vergeben. Kiew können wir also knicken: wenn wir keinen bewachten Parkplatz finden, lassen wir den Fuso nicht allein in der Stadt stehen. Zu gefährlich! Wir fahren raus und finden einen schönen Übernachtungsplatz am Dnjepr, der sich an dieser Stelle (nördlich von Kiew) staut. Der dort in der Nähe eingezeichnete Campingplatz ist ebenfalls verwildert.

Am nächsten Tag sind wir schon im Kopf auf dem Weg nach Polen, fahren gerade durch Kiew und stehen an einem Restaurant, das WiFi anbietet (wir haben ja immer noch keine ukrainische SIM-Karte). Hier lädt Alex sein ALDI-Talk-Telefonguthaben auf und wir laden Karten zum Navigieren herunter. Wir stehen an der Abzweigung: Rumänien oder Polen? Just in dem Moment bekommen wir eine Nachricht von After-Sales FUSO, dass wir auch nach Rumänien fahren können. Also fahren wir. Wir freuen uns: eine Werkstatt am Schwarzen Meer mit viel Sonne, da ist der Werkstatt-Aufenthalt nur noch halb so schlimm… Da wissen wir aber noch nicht, dass es bei unserer Ankunft ausgerechnet da über eine Woche lang bei kalten 15-19 Grad regnen soll!

Die Straßen in der Ukraine sind schlecht, obwohl wir den direkten Weg auf einer vierspurigen Hauptstraße nehmen. Keine Umwege mehr. Wir kommen nur langsam voran; teilweise nur mit 50 km/h auf der M-05. 150 km weiter ist es bereits 19 Uhr und wir übernachten etwas abseits der Hauptstraße in der Nähe eines kleinen Dorfes. An einer Tankstelle zuvor hatte man uns davor gewarnt, draußen an der Hauptstraße zu übernachten: zu gefährlich; vor allem an einer Hauptverkehrsstraße wie die M-05!

Wenn wir gewusst hätten, was auf uns zukommt, wären wir solange weitergefahren wie es geht. Hinterher ist man immer schlauer…


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