Auf Schnupperkurs mit dem Atlantik: Durch die Straße von Gibraltar zu den Kanaren

Am 8. Oktober 2019 ist es also soweit: wir verlassen das kuschelige Mittelmeer und wollen raus auf den Atlantik. „Und, aufgeregt?“ frage ich Alex interessiert. Wir beide haben schlecht geschlafen, denn anders als in der Wettervorhersage prophezeit, frischt der Wind in der Nacht ordentlich auf und wir denken beide: „Oh oh!“ Wir überlegen tatsächlich kurz, den Start doch noch mal zu verschieben, aber nützt ja nix. Wir haben uns bereits am Vortag abgemeldet und wollen jetzt auch los. Das Wetter kann sich blitzartig wieder ändern und das wollen wir nicht riskieren. Für uns wichtiger als die Stärke, ist die Windrichtung, wir brauchen den Levante (Ostwind) um gut aus dem Mittelmeer zu kommen. Wir checken aus (im Grunde sagen wir nur Bescheid, denn mehr gibt es nicht zu tun), bezahlen das bisschen Wasser, das wir zur Bootsreinigung gezapft haben und machen uns auf die Suche nach der Dieseltankstelle. Dummerweise haben wir in Al Hoceima nicht getankt, weil wir es da so eilig hatten, denn der Diesel wäre dort noch etwas billiger gewesen. Aber auch die Dieseltankstelle der Marina OCEAN VILLAGE bietet die goldene Flüssigkeit zum guten Preis an: 0,63£/Liter (≈0,75€/Liter), also tanken wir voll – 430 Liter. Das Tanken dauert einige Zeit, so landen mehrere Flugzeuge unter lautem Gedröhne direkt neben uns auf dem Flughafengelände. Gegen 11 Uhr segeln wir Richtung Straße von Gibraltar.

Der Levante legt noch mal zu und pustet uns mit 39 Knoten und 3-m-Wellen von hinten quasi aus dem Mittelmeer. Die Straße von Gibraltar beschleunigt den Wind wie eine Düse. Es genügt das Vorsegel im dritten Reff, um 11,3 Knoten Fahrt durchs Wasser zu machen. Ganz automatisch werden wir Richtung Südwest gedrückt. Wir werden von Delfinen begleitet, was jedesmal wieder ein Erlebnis ist, das freudiges Pfeifen bei uns auslöst. Ab dem Nachmittag fühlen wir uns beide unwohl, während es Alex einfach erfolgreich ignoriert, wird es bei mir mal wieder schlimmer. Ich habe mir selbst ein Antibiotikum wegen eines Infekts verschrieben, welches wahrscheinlich die Wirkung der Tabletten gegen Reisekrankheit herabgesetzt hat. Jedenfalls bin ich bis zum 10. Oktober mal wieder ziemlich seekrank. Ich setze schließlich das Antibiotikum ab, weil diese Tabletten für sich bereits Unwohlsein auslösen. Am 9. und 10. Oktober läßt der Wind etwas nach, so dass wir bequem in den Wind drehen können um das Großsegel zu setzen, dann geht es mit Normalbesegelung (Fock und Groß) weiter nach Süden. Am 11. stecken wir in einer Flaute und starten die Motoren. Richtig Spaß kommt da nicht auf, uns ist es zu laut. Am 12. Oktober (5. Tag also) setzt Alex euphorisch das Code 0 zusammen mit dem Großsegel, allerdings nur für 3 Stunden. Die Dühnung ist noch zu stark, die Segel fangen immer wieder an stark zu schlagen: viel zu wenig Wind und viel zu hohe Wellen. Wir versuchen es tagsüber noch einmal mit dem Code 0, jedoch wieder nur kurz: abermals zu wenig Wind. Die Motoren tragen uns weiter Richtung Kanaren.

Segelroute zu den Kanaren

Am 13. Oktober 2019, nach 6 Tagen erreichen wir gegen 15:30 Uhr Ortszeit die Kanaren, und zwar die Marina Lanzarote in Arrecife. An dem Tag wissen wir noch nicht, dass wir mehr als 1 Monat auf der Insel verbringen werden.

Bereits zum Zeitpunkt unserer Ankunft versammeln sich auf den Kanaren die ARC-Teilnehmer, sie wollen organisiert am 10. (über Kapverden) bzw. 24. November 2019 (direkt) den Atlantik überqueren. Das macht allen anderen (also uns) das Leben ein bisschen schwer. Die „ARCies“ belegen die komplette Marina in Las Palmas auf Gran Canaria, „NON-ARCies“ werden nicht reingelassen. Nur wollen sich die ARC-Teilnehmer nicht auf Las Palmas, und schon gar nicht nur auf Gran Canaria einschränken lassen. So passiert es, dass jedes Jahr ziemlich viele Marinas „dicht“ sind und kaum Platz für Nicht-ARC-Teilnehmer bieten. Die Marina Lanzarote bildet da keine Ausnahme. Dummerweise hatte ich lediglich für eine Woche gebucht, weil wir vorhatten, die Kanaren abzusegeln. Kann ja keiner ahnen. Glücklicherweise verstehe ich mich mit Tanja, der deutschsprachigen Marinamitarbeiterin auf Anhieb und frage vorsichtig an, ob wir nicht doch auf einen Monat verlängern könnten. Wir haben regelrecht Angst ohne vorherige Reservierung die nächste Marina anzulaufen, um uns einen „Korb“ zu holen; Ankerplätze sind rar und das Wetter unbeständig. Doch in dieser Zeit bekommen wir einfach nirgendwo einen Platz reserviert, meistens nicht mal eine Antwort auf unsere Anfrage (es ist ja nicht nur die ARC, die stattfindet, sondern auch noch die RORC und andere, die ich schon wieder vergessen habe). Wenn wir länger an einem Ort bleiben, könnten wir auch ein paar Sachen organisieren. Es dauert nur einige Tage, bis wir die Zusage bekommen, dass wir einen Monat bleiben können. Gott sei dank, eine Sorge weniger. Wir nutzen die Zeit auf Lanzarote, um sämtliche Shops für Bootszubehör immer wieder abzuklappern; wir müssen ein paar kleinere Reparatur- und Verbesserungsarbeiten machen. Die Organisation von Equipment aus dem Ausland schenken wir uns dann doch, nachdem das kleine Päckchen mit den Umlenkrollen/Blöcken von Ubi Maior schon mehr als zwei Wochen von Italien nach Lanzarote brauchte.

Glücklicher Zufall: Treffen mit Anja aus der Grundschule
Glücklicher Zufall: Treffen mit Anja aus der Grundschule

Ich weiß gar nicht mehr, wie wir den Monat überhaupt herumgekriegt haben. Man könnte ja meinen, wir wären ständig auf der Insel unterwegs gewesen, würden jeden Winkel kennen, aber das stimmt nicht. Wir waren jeden Tag fußläufig zu irgendwelchen Zubehörshops unterwegs, um ein bisschen Auslauf zu haben, aber wenn beinahe täglich zwei, manchmal sogar drei (!) riesige Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig anlegen und tausende Touristen (Flugzeugtouristen aus aller Welt gibt’s ja auch noch) die Insel belagern, dann vergeht einem ganz schnell die Lust auf Sehenswürdigkeiten. Und so braucht man dann schon drei Wochen, um erstmal herauszufinden, welcher Tag geeignet ist, um nicht stundenlang in einer Menschenschlange stehen zu müssen. Also, ich war jedenfalls von den Massen an Touristen geschockt. Andererseits kommt mir der Umstand dann doch ziemlich gelegen, weil ich die Möglichkeit habe, Anja aus der Grundschule wiederzusehen, die zufällig gerade Urlaub im Nachbarort von Arrecife macht.

Freizeittechnisch haben wir uns unglücklicherweise die falsche Insel ausgesucht, denn auf Lanzarote kann man, abgesehen von Fahrradfahren, nicht viel machen, das in Richtung Wandern oder Klettern geht. Wir beschränken uns daher auf Sightseeing: mit dem Mietwagen klappern wir die äußerst karge Insel ab. Mal abgesehen von den paar Palmen und anderen Bäumchen, die durch Menschenhand gepflanzt wurden, wächst da kein Baum. Alles Lavagestein und Lavasand. Das macht nicht nur die Insel braun, sondern auch durch den permanenten starken Wind unser Boot, so dass wir ständig am Schrubben sind. Unsere wenigen Sightseeing-Stationen sahen dann wie folgt aus:

Das Wohnhaus von César Manrique 

Hier konnte ich meine voyeuristische Ader im ehemaligen Wohnhaus des spanischen Malers, Bildhauers, Architekten und Umweltschützers ausleben. 

Fundación César Manrique

Des Künstlers ehemalige Wohnstätte in Taro de Tahíche, das auf einem 30.000qm großen Grundstück mit Lavablasen errichtet wurde.

Der Timanfaya-Nationalpark 

…hat uns einfach nur enttäuscht. Die Landschaft selber ist spitze und wunderschön, nur die Art, wie die Touristen da durchgekarrt werden, ist eine Katastrophe und zerstört die Atmosphäre komplett. Als wir an der Einfahrt zum Nationalpark 10€ pro Person zahlen müssen, bekommen wir schon Schnappatmung. Aber als wir eine Stunde lang in einer Blechschlange standen, nur um dann festzustellen, dass es dann gar nicht weitergeht und wir auf dem Parkplatz das Auto abstellen müssen, um in den Touristenbus zu wechseln, hatte ich schon keinen Bock mehr. Natürlich sitzt man bei so Bustouren immer auf der falschen Seite… Viel lieber wäre ich gerne per pede durch die Vulkanlandschaft gelaufen, aber das ist verboten!

Playa de Papagayo

Playa de Papagayo
Playa de Papagayo

Cueva de los Verdes

…eine Lavaröhre, die vor 3.000-4.500 Jahren entstanden ist. 1964 wurde die Cueva der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: sie besteht im Prinzip aus zwei übereinander angeordneten langen Röhren mit einer Längevon etwa einem Kilometer pro Rohr.

Arrecife

Umgebung Lanzarote

Am 17. November 2019 verlassen wir den sicheren Hafen der Marina Lanzarote und steuern Richtung Teneriffa. Da Alex gelesen hat, dass man auf Teneriffa Sportklettern kann, haben wir uns dazu entschlossen, es wenigstens zu probieren und falls doch kein Platz verfügbar sein sollte, geht es eben direkt über den großen Teich. 

Gibraltar -> Lanzarote: 620 NM ——– NM insgesamt: 3.427 NM


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