Erste Ankererfahrungen

Ursprünglich hatten wir vor, noch während der Zeit in Kuşadası ab und zu mal über Nacht draußen zu ankern, bevor es richtig los geht, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Dazu kam es aber irgendwie nie. Zunächst mangelte es an Strom (war ja ziemlich kalt bis Mitte April und so eine Elektroheizung schluckt mehr als man denkt), dann mussten noch dringende Arbeiten erledigt werden, dann wieder spielte das Wetter nicht mit. Und so kam es, dass wir doch erst nach Abreise aus Kuşadası unsere erste Übernachtung am Ankerplatz erleben durften.

Aufregende Nacht am Ankerplatz

Dass ausgerechnet die erste Übernachtung am Ankerplatz für Aufregung sorgen würde, war ja nicht zu ahnen. Ursprünglich wollten wir sofort zur Straße von Samos, haben uns aber überreden lassen, zunächst in die völlig falsche Richtung, nämlich nach Nordwest zu segeln. Eine schöne Bucht mit heißer Quelle sollte uns erwarten: Doğan Bey. Toll. Angekommen ist Alex gar nicht mehr so begeistert: „Sieht ganz schön klein aus!“ murmelt er. Soo klein ist die Bucht gar nicht, aber für die erste, die allererste Bucht sieht sie eben klein aus. Wir haben auch später immer wieder festgestellt, dass die Distanzen vom Boot aus schwierig zu beurteilen sind. Da sieht alles immer viel, viel näher aus als es tatsächlich ist. Wir haben noch Zeit, das Verhalten des Bootes bis zur Nachtruhe zu beobachten; alles gut. Zu dem Zeitpunkt haben wir noch keine konkrete Ahnung, wie man Landleinen ausbringt. Aber es ist ja alles gut und wir sind allein in der Bucht. Doch dann dreht der Wind. Mitten in der Nacht geht der Ankeralarm los, Alex springt aus dem Bett und sieht die Felsen auf einer Seite empfindlich nahe am Boot. In der Dunkelheit (der Mond spendet kein nennenswertes Licht) ankern wir mit Taschenlampe bewaffnet um. Weil Alex verunsichert ist, entscheiden wir, Ankerwache zu halten. Ich übernehme die erste Schicht von 3 Stunden bis morgens um 3 Uhr. Alle 15 Minuten schreibe ich meine Beobachtungen auf, einfach um mich beschäftigt zu halten. Nach zwei Stunden tut mir bereits der Po weh. Ich hätte Alex gerne bis 4 Uhr morgens schlafen lassen, aber er ist so aufgeregt, dass er kein Auge zumacht und Punkt 3 Uhr bei mir am Steuerstand auftaucht. Gegen 7 Uhr morgens lichten wir den Anker und machen uns schnell davon, ohne auch nur die heiße Quelle gesehen zu haben. Wir haben eine lange Strecke bis zum nächsten Ankerplatz vor uns…

Die nächsten Ankerplätze sind hervorragend. Wir vermaßen jetzt jedes Mal vorher auf dem Plotter die Größe der Bucht. Alles über 150m Breite ist für uns hervorragend…

Ankern bei 18 Knoten auflandigem Wind

Wir haben bis jetzt noch wenig Gefühl dafür, ob jetzt 18 Knoten schlimm sind, oder nicht.

Catal Adasi
Ankerplatz Catal Adasi

Alles jenseits der 10 Knoten ist für einen Anfänger schon: „Hui, das ist aber…!“ Weil wir aber wenig Lust haben, vor der D-Marin Turgutreis herumzustehen und uns die Insel da im Hintergrund so schön anlacht, beschließen wir, zur Catal Adası umzusiedeln, nicht ahnend, dass der Wind auffrischen würde auf locker 18 Knoten und dann auch noch auflandig, ausgerechnet in dem Moment als wir den Anker werfen. Auflandig ankert man eigentlich nicht, weil der Wind, wie der Name schon sagt, das Boot Richtung Land drückt und wenn der Anker nicht gut hält, nun ja, den Rest kann man sich denken. Wir stehen mit einem durchaus unguten Gefühl dort und beobachten unsere Instrumente sowie unsere Umgebung. Allerdings wissen wir, dass der Wind gegen Abend wieder nachlassen soll, also haben wir ein Auge sowohl auf den Windsensor als auch auf Ankeralarm, um zu wissen, wie weit wir uns bewegen. In der Nacht ist es beinahe windstill und wir sind allein am Ankerplatz. Herrlich!

Oh je, Ankern mit Heckleine

Seit Doğan Bey wissen wir, dass wir unbedingt Ankern mit Heckleine üben müssen. Bei Orak Adası, knapp hinter Bodrum, sind die Buchten so klein, dass man nicht schwoijen kann. Nahe des Riffs an der Ostseite der Insel werfen wir, weil wir ums Verrecken schwoijen wollen, mutig den Anker auf einem hellen Fleck, in der irrigen Annahme, es sei Sand.

Orak Adasi
Ankerplatz Orak Adasi

Lerne: Nicht alles, was von oben aussieht wie Sand, ist auch Sand. Es kann nämlich auch Felsen sein. Da Alex immer nach dem Ankern zum Anker schnorchelt, heißt es sofort: „Anker lichten, weil der hält nicht!“ Ja, und nu? „Ankern mit Heckleine!“ sagt Alex prompt und schielt rüber zu den türkischen Kollegen. Einer legt gerade rückwärts an, wir gucken ab. Alex sagt selbstbewusst: „Das können wir auch!“ Wir hin und haben noch Glück, dass der Wind gerade schwach ist und es für mich leicht ist, den Katamaran gerade zu halten. Gerade als Alex das Dingi herunterlässt und lospaddeln will, kommt ein Bootsjunge von nebenan und hilft Alex mit den Leinen. Wie cool ist das denn? Kleine private Lehrstunde in Sachen ‚Heckleine ausbringen‘ folgt vom Fachmann. Ist dann doch gar nicht so schwierig, wenn man es einmal gemacht hat. Leider dreht dann der Wind und er soll stärker werden. Die eigentliche Bucht ist zum späteren Zeitpunkt frei und weil das mit dem Rückwärtsanlegen so gut geklappt hat, will Alex „umparken“. Ich stöhne. Hilft nix, Wind und Wellen von der Seite ist Mist, also Leinen wieder los, Alex fährt mit dem Dingi vor zum Ende der schmalen Bucht, ich fahre rückwärts mit dem Katamaran hinterher, Anker raus, Heckleinen dran, fertig. Das geht besser als gedacht. In der Nacht frischt der Wind auf über 20 Knoten auf. Der Monohull, der vorher neben uns geparkt hat, hat jetzt Probleme: er driftet ab und der Anker scheint nicht zu halten. Die Crew läuft aufgeregt mit Taschenlampen hin und her; das Boot bekommt die ganze Zeit durch die Wellen Schläge auf die Seite. Mit unserem Wechsel ist unsere Position deutlich besser, was aber nicht verhindert, dass wir Ankerwache halten müssen wegen des Monohulls. Falls er Hilfe braucht, wollen wir notfalls zur Stelle sein. Das Ausflugsboot neben uns verliert in dieser Nacht eine Landleine, glücklicherweise die Luv-Seite, so kommt er uns nicht zu nahe. Der Kapitän nimmt die verlorene Leine schulterzuckend zur Kenntnis und geht wieder schlafen. So unterschiedlich ist das.

Arrrgh, der Anker hält nicht!

Das erste Mal passiert es uns in der Aquarium Bay (Armutlusu Koyu), dass wir uns bewegen. Die küstennahen Felsen kommen immer näher. Der Anker scheint ein Seegrasfeld erwischt zu haben und so schiebt sich der Anker immer weiter durch den Boden, das Boot somit immer näher zu den Felsen. Um uns herum viele Miniboote, die Mittagspause machen. Wir machen uns los und bitten das Bötchen neben uns, sich netterweise zu versetzen, weil es bereits zum „Ausparken“ zu nah an uns steht. Kein Problem. Während ich im Wasser die Leinen sortiere, lichtet Alex den Anker, wirft ihn neu, Heckleinen fest, alles gut. Und dann kommt gegen Abend eine Gulet, die ihren Anker über unseren wirft. Als Alex nachguckt, sieht er, dass die Ankerketten übereinander liegen. Nicht weiter schlimm, wenn die Gulet zuerst fährt. Wir besprechen also kurz mit dem Captain die weiteren Pläne. Er fährt noch vor uns sehr vorsichtig am nächsten Tag aus der Bucht und wir folgen ihm schnell, bevor die nächste Gulet kommt. Darauf muss man sich eben bei den kleinen beliebten Buchten einstellen.

Kizil Adasi
Ankerplatz Kizil Adası

Das nächste Mal passiert es uns in der Nähe von Bozburun bei Kizil Adası. Wir merken, dass die Landleine an dem ausgewählten Stein nicht hält (die Auswahl in Frage kommender Steine hielt sich in Grenzen) und wollen eigentlich nur die Leine versetzen, da merken wir beim Festziehen mit den Winschen, dass wir uns immer weiter an Land ziehen. Das ist komisch und bedeutet, dass der Anker nicht hält. Und das kurz vorm Abendessen um 19:30 Uhr. Wir lichten den Anker, gucken uns in der Gegend um und finden nix. Zurück beim Ankerplatz versetzen wir uns um etliche Meter nach links und machen uns erneut fest. Am nächsten Morgen in aller Frühe versetzen wir uns nach gegenüber – da stehen alle, da muss der Ankergrund viel besser sein – und setzen uns schnell in die Lücke, bevor es wieder voller wird und müssen bereits unseren „Parkplatz“ verteidigen, denn auch mit dem Boot ist es ähnlich wie mit dem Auto: es gibt auch hier verrückte „Fahrer“, die sich noch schnell in die Lücke drängen, obwohl man den Blinker – in unserem Falle den Anker – bereits gesetzt hat…

Und jetzt ist auch noch die Ankerwinde kaputt…

Das nächste Mal passiert es uns im Serçe Limanı. Eigentlich eine schöne Bucht mit angeblichem „allround shelter“, nur nicht, wenn wir drin ankern. Als wir ankommen, ist noch alles hübsch. Aber dann kommt der Wind, der dreht in der Bucht seine Runde und kommt direkt von der Seite mit mehr als 20 Knoten. Der Anker liegt in fast 30m Tiefe, so tief, dass Alex ihn nicht sehen kann.

Ankerplatz Serçe Limani
Ankern mit Heckleinen

Wir haben ein Seegrasfeld erwischt und der Anker hält mal wieder nicht. Ausgerechnet bei 23 Knoten Wind von der Seite müssen wir am Abend – wieder einmal kurz vorm Abendessen – umankern. Ich mache die Leinen los und warte auf Alex, während er den Anker lichtet, neu wirft, um dann festzustellen, dass unsere 80m Ankerkette doch nicht ausreicht, um die Landleinen zu fixieren. Dummerweise stimmen die Abstände auf dem Plotter nicht, was das Abschätzen der Distanzen extrem erschwert. Also Anker noch mal rauf, wieder neu werfen, dabei gibt die Ankerwinde plötzlich ihren Geist auf. Nichts geht mehr, Alex muss nun ständig zwischen Steuerstand und Ankerkette hin- und herrennen, weil die Fernbedienung nicht mehr funktioniert. Genau in einem solchen Moment kommen natürlich zwei Gulets, die genau da einparken wollen, wo wir uns gerade befinden (wir machen gerade einige Ankerplätze gleichzeitig dicht). Aber sie erkennen schnell, dass wir Probleme haben, und ankern kurzerhand ganz weit weg. Alex gibt alles an Kette, was wir haben, wir machen die Heckleinen fest und hoffen das Beste. Der Motor der Winde glüht und wir hoffen, dass sie wieder funktionstüchtig ist, sobald sie sich abgekühlt hat. Witzigerweise hatte Alex die Ankerwinde tags zuvor extra servisiert, weil befreundete Australier ein Windenproblem hatten, was Alex hellhörig werden ließ. Und nun ist das Getriebe unserer Winde nach dem ganzen Hoch- und Runterlassen so heiß geworden, dass sie immer schwergängiger wurde, bis der Motor durch gebrannt war. Da die von LAGOON eingebaute 100A Sicherung viel zu groß für die 1.000-Watt-Winde ist, ist die Sicherung auch nicht vorher rausgeflogen. Am nächsten Morgen gegen 5 Uhr hält es Alex vor Kummer nicht mehr aus und guckt nach der Winde. Sie funktioniert nicht. Das bedeutet, dass wir 80m Kette per Hand hochholen müssen, und das aus 22m Tiefe mit einem 33kg-Anker am Ende. Was ein Spaß. Wir haben eine Quick-Ankerwinde und müssen sie für die Benutzung mit manueller Kurbel umbauen. Der mitgelieferte Plastikring für die Kurbel ist dabei wenig hilfreich, weil der sich sofort verformt. Wieso ausgerechnet der Ring aus weichem Plastik sein muss, versteht ja nu keiner (Aber immer hat diese Ankerwinde eine manuelle Handkurbel! Es ist bei Quick eine Option und andere Winden haben das überhaupt nicht.). Gegen 6:30 Uhr zieht also Alex vorn an der Kette, ich versuche „vorsichtig schnell“ mitzukurbeln, damit die Kette immer wieder einrastet und nicht ungehindert zurücksaust.

30-45 Minuten Schwerstarbeit am frühen Morgen – Morgensport könnte schöner sein. Die ersten 40m schafft Alex ohne Hilfe per Hand, für die letzten 40m baut er sich eine Lösung mit Seil und Umlenkrollen, um die Last zu verteilen und leichter hochziehen zu können. Kaum sind wir fertig, frischt der Wind ordentlich auf und die erste Gulet biegt um die Ecke…

Unsere ersten Ankererfahrungen innerhalb der ersten 2 1/2 Monaten gaben viel Stoff zum Lernen und Verbessern. Trotzdem hielten sich solche Situationen in Grenzen, denn alle vielen anderen Male hatten wir sehr ruhige, wundervolle Nächte. Das Beobachten des Verhalten des Bootes, solange es noch hell ist, sowie der Einsatz von zwei Ankerwachen Apps gab uns einigermaßen Sicherheit für die Nacht.


5 Gedanken zu “Erste Ankererfahrungen

    1. Hallo Paul? (Ich weiß doch nicht welcher Paul Du bist 😉
      wir schreiben noch! Wir haben im letzten Monat, das Mittelmeer mit nur zwei kurzen Stops in Tuniesien und Marokko durchquert. Wir haben auch wieder spannendes erlebt, aber zum Schreiben ist Nicole noch nicht gekommen. Wir sind gerade in Gibraltar und haben 6 Tage um uns auf die Passage zu den Kanaren vorzubereiten und es gibt viel zu tun.

      Viele Grüße
      Alex

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  1. Servus, danke fürs teilhaben lassen.
    Wir waren das ganze letzte Jahr in Griechenland und können auch ein Lied vom Ankern singen 😉

    Was habt ihr denn für einen Anker?

    Viele Grüße,
    Roland

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    1. Hallo Roland,
      wir haben an an der 80m langen, 10mm starken Kette z.Z. einen Rocna 33kg. Als Ersatz haben wir noch einen 35kg Ultra und als Zweitanker einen 20kg Rocna.
      Die Lagoon 42 wird mit einem 20kg Delta ausgeliefert, war mir sehr klein vorkommt.
      Viele Grüße
      Alex

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      1. Ich halte den Rocna derzeit für einen der besten Anker den es überhaupt gibt. An dem liegt‘s schon mal nicht. 20 kg halte ich aber auch für zu wenig.
        Hab mich vor ein paar Jahren für den Jambo entschieden, bin extrem zufrieden.
        Sind heuer in Kroatien unterwegs.

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