Wir dürfen erst am Freitag, den 21.09.2018 die Grenze nach Russland passieren, weil ab dem Tag erst das Visum gilt. Es ist der 15. September, also brauchen wir noch Proviant. Als wir den gewünschten Supermarkt mit dem großzügigen Parkplatz davor betreten, ist er komplett dunkel – Stromausfall. Mit Handy (mit Taschenlampenfunktion) bewaffnet, durchstöbern wir den Supermarkt; nur langsam füllt sich der Einkaufswagen. Während wir im Supermarkt auf der Suche nach weiteren Lebensmitteln sind und unseren inzwischen gut gefüllten Wagen mal kurz aus den Augen lassen, räumen Angestellte unseren Wagen wieder leer, weil sie in der Dunkelheit nicht sehen können, dass wir uns in unmittelbarer Nähe befinden und es sich nicht um einen herrenlosen Einkaufswagen handelt. Ein lustiges Missverständnis, das wir gerade noch im letzten Moment richtigstellen können, bevor unser mühsam zusammengesuchtes Zeugs wieder komplett in den Regalen verschwindet.
Auf der A 0401 geht es relativ gerade nach Norden zur russischen Grenze. Wir haben Zeit, also bleiben wir zwei Nächte auf einem Hügel mit schönem Blick stehen. Wir gehen spazieren, haben sommerliche Temperaturen zwischen 25-30 Grad, die Landschaft ist grün. Nach den zwei Nächten fahren wir zunächst bei sommerlichen Temperaturen weiter; wenig später dann aber vorbei an herbstlich bunten Büschen bei um die 15 Grad.
95 km vor der Grenze bleiben wir noch mal für eine Nacht stehen; wir haben es ja nicht eilig. Am Abend fängt es plötzlich an zu schneien. Whaaaat? Innerhalb von einem Tag Sommer, Herbst UND Winter? Und der Schnee bleibt tatsächlich liegen, bedeckt die Wiese mit feinem Weiß. Ach herrje. Das Schneetreiben wird stärker. „Meinst Du, wir kriegen ein Problem?“ frage ich besorgt aus dem Fenster guckend. „Ach was, das bleibt nicht liegen…“ erwidert Alex. Ich gucke aufs Handy, weil ich wissen will, ob das jetzt weiter so schneit. Laut Wettervorhersage soll es nur noch morgen, also Donnerstag schneien, dann soll es wieder wärmer werden, bis zu 13 Grad! Whaaaat? Da schneit es einen Tag und ausgerechnet den nehmen wir natürlich noch so kurz vor der Grenze mit; das gibt es doch gar nicht! Immer wieder schaue ich besorgt aus dem Fenster: ob die Mongolen wohl einen Straßenräumdienst haben?
Am nächsten Morgen, Donnerstag 20. September, ist alles weiß. Die Straße ist jedoch frei; der Schnee geschmolzen. Kein Problem. 40 km weiter haben wir sehr wohl ein Problem: Wir müssen über einen Hügel, sind gerade mal auf ca. 800 hm und trotzdem liegt hier 30 cm Neuschnee. Der plötzliche Schneefall scheint selbst die Mongolen überrascht zu haben: Die Straße ist nicht geräumt, die Autofahrer rutschen auf der Straße unkontrolliert hin und her. Wir müssen rechts am Straßenrand halten und sehen, dass ein entgegenkommender LKW die Straße versperrt. Seine Räder drehen auf dem glatten Untergrund durch. Bewaffnet mit Schaufel graben sich die Polizisten durch den Schnee, schaufeln eine Fahrspur für den LKW frei, damit er den „Gipfel“ erreichen kann und von der Mitte der Straße wegkommt.
Die wartenden PKW hinter uns sind ungeduldig und drängeln sich an uns vorbei, obwohl der Weg von der Polizei nicht freigegeben ist. Aber da nichts abgesperrt ist und niemand sie aufhält, fahren sie einfach drauf los. Dadurch behindern sie jedoch die Buddelaktion und machen die Straße dicht, bis fast nichts mehr geht. Verzweifelt versucht die Polizei, den Verkehr zu regeln, aber die PKW-Fahrer haben kein Einsehen. Und so kommt es, dass ein PKW von der Polizei angehalten und zur Rede gestellt wird. Irgendetwas muss der Insasse gesagt haben, denn plötzlich greift der Polizist ins Auto. Es entsteht ein kleines Gerangel. Dann geht der Fahrer dem Polizisten an die Gurgel; die Hand am Hals können wir sehr gut sehen. So etwas haben wir auch noch nie erlebt. Das kalte Weiß erhitzt die Gemüter. Schließlich beruhigt sich die Situation wieder, der PKW drängelt sich weiter durch. Dann kann der LKW endlich etwas weiter an den rechten Fahrbahnrand fahren und wir dürfen passieren. Doch wenige Meter weiter steht der nächste LKW mitten auf der Straße und steckt fest. Nach einiger Wartezeit kommt ein Bagger, der den Schnee wegräumt. Nach zwei Stunden sind wir durch, fahren bergab. Der Schnee wird weniger und ist bald ganz verschwunden. Verrückt.

Später erfahren wir von zwei Overlandern in Russland, dass sie kurz nach uns den verschneiten Hügel überqueren wollten und drei Tage dort zubringen mussten. Alle hatten sich festgefahren, leider auch der rettende Bagger. Bis dann ein Rettungsfahrzeug für den Bagger kam, dauert es eine ganze Weile, weil natürlich die Straße komplett dicht war. Da hatten wir richtig Glück!