Wenn man in den Iran reisen möchte, benötigt man ein Visum. Als ich mich mit der Beantragung des Visums für den Iran beschäftigte, stieß ich auf die Möglichkeit, dieses online zu beantragen. Als Reisende begrüße ich diesen Fortschritt sehr. Meine Recherche im Internet brachte das Ergebnis, dass bisher niemand gute Erfahrungen mit dem elektronischen Visumsverfahren gemacht hatte. Ich probierte es trotzdem. Was folgte, was eine kleine Odyssee durch die iranische Bürokratie…
Auf der Seite des Iranischen Außenministeriums – so heißt es – müsse man nur das Formular ausfüllen und schon bekäme man eine Nachricht, mit der man zur Iranischen Botschaft oder zum Iranischen Konsulat nach Wahl gehen könne. Dauer: maximal 10 Tage. Noch in Griechenland fülle ich also online für uns das Antragsformular aus, wir machen Fotos von uns wie angegeben (gemäß Angaben zum Hintergrund, Größe des Bildes und maximale Dateigröße) und schicke diese zusammen mit Fotokopien unserer Pässe los. Als Abholort für unsere Visa gebe ich Athen, Griechenland an. Ich bekomme sogar sofort eine „Submission Notice“, also eine Mitteilung, dass mein Antrag eingegangen ist, zusammen mit einer Trackingnummer zur Nachverfolgung des Bearbeitungsstatus unserer Anträge. 10 Tage lang passiert… nix. Auch danach passiert nichts. Wir sind schon in Athen, da rufe ich in Athen im Iranischen Konsulat an und frage mal nach. Richtigerweise erklärt mir der Herr, dass ich warten müsste, bis ich eine „Grant Notice“ bekomme. Aber genau das ist das Problem: es kommt ja nichts. Ja, da könne er mir auch nicht helfen. Ich rufe in Frankreich an, weil neben Dubai und Oman Frankreich als Servicenummer für E-Visa-Angelegenheiten angegeben ist. Niemand geht ran. Ich rufe in Deutschland an. In Berlin keine Chance, aber in Frankfurt, die ohnehin für uns zuständig wären, erreiche ich jemanden. Ich erkläre den Sachverhalt. Der Herr erklärt mir, dass ich angeblich keine Notice bräuchte, sondern einfach zum Konsulat in Athen gehen soll. Der Mann hat keine Ahnung. Selbstverständlich benötigen wir eine „Grant Notice“, denn jedem Tourist wird vom Iranischen Außenministerium (MFA = Ministry of Foreign Affairs) eine Nummer zugeteilt. Und genau die brauche ich, um unsere Visa abzuholen. Aber was bleibt uns übrig? Am nächsten Tag werden wir beim Iranischen Konsulat in Athen vorstellig. Wir sind höchst überrascht, dass uns um die Mittagszeit die dickwandigen Türen ins Konsulat geöffnet werden. Im Keller des Gebäudes erinnert sich der Herr an mich: ja, wir hatten telefoniert. Er schaut in den Computer, aber natürlich hat er keine Freigabe. Damit ist für ihn der Fall erledigt. Wir fragen höflich, ob er sich nicht mal erkundigen könne, woran es nun läge, denn schließlich sei ja seit dem 24. September 2017, dem Tag meiner Antragstellung bis heute viel Zeit vergangen. Wir haben nämlich inzwischen den 11. Oktober. Irgendwas passiert da hinten am Schreibtisch oder auch nicht, am Ergebnis ändert es jedoch nichts. Er gibt uns mit auf dem Weg, mit einer Travel Agency zusammen zu arbeiten. Ob er eine kenne, fragen wir. Nein. Und damit stehen wir allein da. Da ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, die Visa zu besorgen, mache ich mir Gedanken. Ich rufe nochmals in Frankfurt an, aber der Herr kann mir einfach nicht helfen. Ich google nach Travel Agencys, die bei der Visumsbeantragung unterstützen. Die wollen natürlich alle Geld haben (zwischen 25 € und 50 € pro Visum), das ich uns eigentlich sparen wollte. Was hilft’s? Ich schreibe eine Travel Agency im Iran an und frage nach. Etwas später kommt die Antwort: kein Problem. Einfach Antrag auf derem Seite ausfüllen (mit Auflistung der Stationen inklusive Hotels), Fotos und Scan von den Pässen mitschicken fertig. Ein kleiner Nebensatz lässt mich aufhorchen: sie weisen darauf hin, dass, wenn bereits der Antragsteller oder eine andere Agentur einen Antrag gestellt habe, der erneute Antrag vom MFA abgelehnt werden kann. Oh je. Das E-Visa-Verfahren ist noch anhängig… Ich frage nach, ob das mit meinem laufenden E-Visa-Verfahren kollidieren würde. Ja, kommt zurück, das sei höchst problematisch. Den müsste ich zurücknehmen. Ach herrje, und wie? Auf mein Email an das MFA hat niemand reagiert, ich schicke nochmal ein Email mit der Bitte, meinen Antrag zu löschen. Aber es kommt nichts zurück. Gar nichts. Ich telefoniere mich durch die halbe Welt: in Frankreich arbeitet schon wieder keiner, der Herr im Oman ist extrem freundlich, kann mir aber trotzdem nicht helfen, weil ich nicht gebürtige Omanin sei und auch wenn das die Servicenummer sei, er sei für mich nicht zuständig. In Berlin ist wieder nur der Anrufbeantworter dran, München arbeitet auch nicht, also lande ich schon wieder beim Herrn in Frankfurt, der bestimmt schon genervt von meinen Anrufen ist. Er hat keine Ahnung, ich müsste mich direkt beim MFA melden. What? In Teheran? Ich frage bei der Travel Agency nach, ob sie für mich meinen Antrag zurücknehmen und einen neuen stellen könnten. Die Antwort ist niederschmetternd: nein, das könnten sie nicht. Soll jetzt unsere Iranreise etwa an einem Akt der Bürokratie scheitern? Ich gebe nicht auf. Ich habe noch eine weitere Travel Agency in peto und die schreibe und rufe ich beinahe gleichzeitig an; ich hab‘ Druck. Per Email bestätigt mir Anja, dass das ginge und weil ich mein Glück kaum fassen kann, rufe ich direkt bei ihnen in Shiraz (Iran) an und frage die Mitarbeiterin namens Mina, die gerade am Telefon ist, ob das stimmt und was zu tun sei und wie lange das dauern würde. Sie erklärt mir geduldig alles. Sie würden sich darum kümmern; kein Problem. Man habe das schon mal gemacht. Wow, einen Schritt weiter. Ich gebe ihnen also unsere Trackingnummer und wenige Tage später kommt die Bestätigung per Mail sowohl von der Online-Stelle des MFA (ach, schau an!) als auch aus Athen (!), dass mein Antrag gelöscht worden sei. Erneut beantrage ich nun über die Seite der Travel Agency mit Fotos und Passscans (ohne Auflistung unserer Stationen) unsere Nummern. (Tipp: Bloß nicht erwähnen, dass man mit eigenem Fahrzeug einreist! Die Travel Agencys wollen sonst ihre Touren mitverkaufen. Lieber sagen, dass man mit „Public Transport“ unterwegs ist, zB Bus oder Taxi. Auf dem Visum steht nichts vom eigenen Fahrzeug, so dass an der Grenze niemand fragen wird.) Wenige Tage später habe ich die heiß ersehnte „Grant Notice“ per Mail. Wer nun denkt, damit sei das erledigt, der irrt. Da ich als Abholort nun Istanbul angegeben habe, müssen wir uns etwas beeilen. Die zugeteilten Nummern in der „Grant Notice“ sind exakt 25 Tage gültig; bis dahin muss man seinen Pass dem Konsulat oder der Botschaft gegeben haben. Innerhalb dieses Zeitraum stehen wir also vor dem Eisentor des Iranischen Konsulats in Istanbul und wollen rein. Doch hier in Istanbul lässt man uns nicht einfach vorsprechen, selbst wenn man zur angegebenen Uhrzeit vor der Tür steht. Das frühe Aufstehen hätten wir uns sparen können: nix 8 Uhr… um 14 Uhr sollen wir vorbeikommen.
Wir sind schon früher da und vor uns stehen bereits zwei andere Wartende. Nach und nach gesellen sich immer mehr hinzu, bis sich schließlich eine Traube gebildet hat. Mir kommt der Gedanke, dass Athen irgendwie entspannter war. Um 14 Uhr öffnet sich trotzdem nichts. Erst 15-20 Minuten später dürfen wir eintreten und müssen dabei aufpassen, dass wir unseren Platz verteidigen, denn viele kennen den Wachmann schon. Wir passieren die Sicherheitsschleuse, müssen unsere Handys abgeben. Gott sei Dank habe ich meinen Schal mit, denn ohne Kopftuch darf man nicht ins Konsulat; anders als Athen (da hatte ich gar nicht darüber nachgedacht, als ich mit kurzer Hose und ohne Kopftuch hineinspazierte, aber wenigstens hatte ich noch ein dünnes Shirt mit, um Schultern und Teile des Arms zu verdecken). Dann geht es durch zwei Türen in den Warteraum. Wir müssen Nummern ziehen. Das einzige für uns leserliche, in Englisch vermerkte Wort ist „VISA“ und da drücken wir drauf. Ähnlich wie beim Einwohnermeldeamt oder in manchen ausländischen Postämtern werden die Zahlen auf einer elektronischen Tafel angezeigt mit dem entsprechenden zuständigen Schalter. Wir sind Schalter 4. Der Mann dahinter hat ein höchst gütiges Gesicht und ist sehr freundlich. Glück gehabt. Er studiert unsere „Grant Notice“ und schiebt zwei Antragsformulare durch den kleinen Ausschnitt des Schalters. Wie, nochmal ausfüllen? Das haben wir doch schon für die „Grant Notice“? Ich fülle also für uns beide jeweils ein beidseitig bedrucktes Antragsformular aus. Bei der Frage, welche Länder ich schon bereist hätte, muss ich irgendwann abkürzen: sie passen nicht mehr drauf. Bei Beruf schreibe ich einfach „Manager“, weil ich glaube mich erinnern zu können, dass ich das in unseren Anträgen an die Travel Agency auch so angegeben hatte. Alex ist derweil damit beschäftigt, die vom Herrn angegebene Bank um die Ecke aufzusuchen, um die Visagebühren in Höhe von 75,- € pro Visum (inklusive Beschleunigungsgebühr) zu bezahlen. Den Beleg davon muss er mitbringen. Als er fertig ist, kommt er fast nicht mehr ins Gebäude. Erst als er erklärt, dass ich noch drin bin und gerade die Anträge ausfülle, darf er passieren. Wir geben alles ab und erhalten einen Zettel mit Abholnummer sowie Abholzeit: am nächsten Tag 15 Uhr (andernfalls dauert es gut eine Woche). Ich stutze und frage nach, ob das richtig ist, weil ich weiß, dass die Sprechzeiten nur 14-15 Uhr sind. Ja, das sei richtig.
Am nächsten Tag stehen wir bereits um 14:30 Uhr auf der Matte. Aber wie die anderen auch müssen wir warten, bis es 15 Uhr ist. Dann erhalten wir die ersehnten Visa! Der Mann von gestern sitzt wieder hinter Schalter 4 und will wissen, wohin wir in den Iran reisen wollen. Wir zählen nur die großen Städte auf und er gibt uns noch ein paar Tips. „Welcome to Iran“ sagt er und nickt freundlich. Und freue mich so sehr über die Visa, dass ich ihm strahlend das einzige Worte auf Farsi zurufe, das ich kenne: Merci – Danke! Er freut sich darüber und erwidert etwas auf Farsi, das ich natürlich nicht verstehe. Draußen bekommen wir die Handys vom jungen Mann zurück; auch er heißt uns jetzt schon willkommen im Iran. Wir rufen noch zweimal Merci durch die Gegend, zum jungen Mann an der Sicherheitsschleuse und zum Wachposten, dann sind wir draußen und fotografieren uns mit den Visa vor der Hagia Sophia:

Nachtrag: Inzwischen habe ich gehört, dass das E-Visum-Verfahren bei jemandem geklappt hat. Allerdings mit Beantragung und Abholung in Deutschland. Möglicherweise ist das einfacher?
2 Gedanken zu “Das E-Visum für den Iran”