Der Moldoveanu misst 2.544 m und ist damit der höchste Berg Rumäniens. Wir parken das WoMo knapp hinter Victoria, innerhalb der letzten Siedlung auf einer kleinem Lichtung. Da, wo man eigentlich nicht hin darf, weil das auf einem Schild steht: Durchfahrt für den öffentlichen Verkehr verboten. Wir haben keinen Parkplatz gefunden, also ignorierten wir das Schild einfach. Wir wollen früh schlafengehen, denn wir wollen die Tour mit über 2.000 Höhenmeter rauf und wieder runter an einem Tag schaffen. Eigentlich ist das ja eine 2-Tages-Tour, eigentlich… Da wir bei einer Skitour auf dem Holmbukktind in Norwegen schon 1.700 Höhenmeter geschafft haben, sind wir zuversichtlich. Am Abend schauen wir uns den ersten Teil der Wanderung, die ersten 200 Höhenmeter an: vielleicht können wir ja den ersten Teil mit dem Fahrrad bewältigen, um Zeit zu sparen? Außerdem macht Downhill so viel Spaß…
Am nächsten Tag stehen wir um 6 Uhr auf. Der Plan ist, spätestens um 14 Uhr umzukehren. So haben wir für den Aufstieg um die 7 Stunden Zeit. Um 7:15 fahren wir die ersten 3,5 km mit dem Fahrrad bergauf.
Ich bin total durchgeschwitzt und schon fertig, als wir schließlich am Fluss stehen, wo es links steil bergauf geht. Der Schweiß rinnt mir nur so vom Gesicht. Der Weg mit dem Rad war anstrengender als gedacht: steil, sehr schlammig und vor allem sehr steinig. Das kostet jede Menge Kraft. Wir schließen die Räder ab und folgen dem Fluss durch einen wunderschönen urigen Nadelwald. Schon hier ist es teilweise so steil, dass man auf Zehenspitzen gehen muss.
Nach mehrmaliger Flussüberquerung lichtet sich der Wald; der Weg zieht sich weiter sehr lang über eine Wiese weiter bergauf. Der Weg ist unter dem hohen Grün kaum zu sehen, aber die Wegmarkierung ist sehr gut: ein weiß-rotes Dreieck.
Schließlich stehen wir im Talkessel unterhalb der Bergkette. Ab jetzt geht es nur noch sehr steil bergauf. Wenn es nur das wäre! Die großen Stufen, als würde man zwei Stufen einer Treppe auf einmal nehmen, machen mich fertig. Das kostet so viel Kraft, das wir auf dem Stück bis zum Rücken mehrmals kurz pausieren müssen. Fast 2 1/2 Stunden dauert diese Tortur. Wir merken die 2.000 m-Grenze. Die Luft ist hier schon dünner, das Herz pumpt. Aber wir haben einen fantastischen Blick auf das Tal!
Immer mehr weiße Wolken ziehen auf. Ich hatte ja in der Wettervorhersage gelesen, dass es etwas wolkig werden soll, aber das kommt mir jetzt schon etwas zu wolkig vor.
Wir stehen plötzlich vor einem Schneefeld, das wir eigentlich queren müssen. Der Schnee ist hart, aber wenn’s ganz blöd läuft, kann so ein Schneefeld abrutschen. Wir entscheiden, den Wanderweg zu verlassen und etwas weiter unten um das Schneefeld herumzugehen. Beim zweiten Schneefeld machen wir es genauso und schließlich haben wir es auf den Rücken geschafft.
Wir können jetzt ins andere Tal schauen, theoretisch. Die Wolken sind so dicht, dass wir fast nichts sehen. Und den Gipfel sehen wir auch nicht. Alex checkt kurz, in welche Richtung wir gehen müssen, denn auf dem Wegweiser steht komischerweise Moldoveanu nicht drauf. Es geht also rechts auf dem Rücken eine halbe Stunde lang wieder sehr steil mit großen Stufen bergauf. Der Gipfel scheint greifbar nah, aber es geht über einen Zwischengipfel nochmals hinunter, dann ein weiteres, letztes Mal sehr steil bergauf.
Hier muss man ein bisschen klettern, leichte Kletterei. Dann stehen wir endlich nach 11,5 km, 2.053 Höhenmeter bzw. insgesamt 5:45 Stunden auf dem Gipfel. Wir setzen uns, um etwas zu essen und zu trinken. Und klar: das Foto vom Gipfelglück darf nicht fehlen. Wir haben gemeinsam die 2-Liter-Flasche Wasser leergetrunken und wir haben immer noch Durst. Wir können sie erst wieder im Talkessel auffüllen, wo der Wanderweg am Fluss entlangläuft. Als wir uns umschauen, sehen wir dunkle Wolken vor uns. Das sieht nicht gut aus.
Plötzlich rumst es: Donner. Alex drängt zum Aufbruch. Wir müssen schnell wieder vom Berg runter. Wir packen zusammen und machen uns auf den Rückweg. Wir sind kaum vom Gipfel runter, da beschert uns der Himmel kräftigen Hagelschauer. Kleine weiße Körner fliegen uns um die Ohren gepaart mit Regen. Wir sind innerhalb von Minuten klatschnass! Aber so richtig nass! Meine Füße schwimmen in einem See. Den Oberkörper schützt die Regenjacke. Nach einer halben Stunde sind wir wieder unterhalb des Rückens. Der Abstieg ist anstrengend, aber – da bin ich überrascht – längst nicht so schlimm, wie der Aufstieg. Vielleicht konzentrieren wir uns auch nur viel mehr auf den Weg, denn das Gewitter ist nun direkt über uns, hängt wie ein Damoklesschwert über uns. Der Himmel hört nicht auf, Hagelschauer mit bösem Grollen zu senden. Vor uns blitzt es. Und – unglaublich – im Tal ist schönstes Wetter. Es schwebt die ganze Zeit die Angst mit, vom Blitz getroffen zu werden. Also machen wir, dass wir vom Berg runterkommen. Circa 2/3 des Weges verfolgt uns das Gewitter mit seinem Hagelschauer. Es geht wieder über die langgezogene Wiese, wo sich eine große Schafherde wie Maden durch das Gras fressen.
Dann durch den Wald steil bergab, über die Brücken und schließlich sitzen wir auf unseren Rädern: eine Wohltat. Füße entlasten. Es geht jetzt fast nur noch bergab. Nur zweimal kurz etwas bergauf. Wir rasen den Berg hinunter. Es war die beste Idee, mit den Rädern hochzufahren, um Zeit zu sparen!
Die Füße sind schrumplig und teilweise wund. Die Knie tun weh. Zeugnis von insgesamt 2.131 Höhenmeter, 23 km an einem Tag in exakt 10 Stunden, inklusive Foto-, Trink- und Gipfelpausen. Nach dem Duschen kann ich auf dem harten Boden des WoMos nicht stehen, es tut weh. Ich hole meine Winterpuschen raus, die sind so schön weich und es ist, als würde ich auf Wattebäuschchen laufen. Viel besser. Wir kochen uns eine Kleinigkeit, gucken Fotos, waschen ab und fallen ins Bett. Wir schlafen sofort ein.
Am nächsten Tag tut mir alles weh: ich kann mich kaum bewegen. Waden, Oberschenkel und Oberkörper, wegen des Rucksacks, tun mir weh. Jeder Schritt ist eine Qual und noch viel schlimmer: überhaupt aus dem Bett zu kommen! Wir schlafen ja im Alkoven und die zwei Trittstufen machen mich fertig. Und dann noch unsere Trittstufe in der Hecksitzgruppe! Aua, aua, aua! Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt! 🙂

Argh!
Nicole, ich kann Deine Muskelschmerzen nachempfinden… ich hatte sowas mal nach einer Wanderung in den australischen Blue Mountains, mit reichlich natürlichen Stufen und Höhenmetern, da konnte ich mehrere Tage nicht mal mehr leichte Rampen laufen.
Liest sich aber toll, Eure Tour, trotz Hagel und Gewitter.
Viele Grüße
Harriet (die zweite Hälfte vom „Zebrafuso“ :-))
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Hallo Harriet,
danke für Deinen lieben Kommentar! Auf die Blue Mountains freuen wir uns auch schon!!!
Vielleicht trifft man sich ja mal 😀
Nicole
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