Karpaten I: Klettern und Klettersteig

Die Karpaten sind ein über 1.300 km langes und 100-350 km breites Hochgebirge in Europa. Das höchste Massiv der Karpaten ist die Hohe Tatra, in der Slowakei. Es wird vom Făgăraș-Massiv in den Südkarpaten, in Rumänien gefolgt. Hier befindet sich auch der höchste Berg Rumäniens: der Moldoveanu.

Auf dem Weg zum höchsten Berg Rumäniens stehen wir nur zufällig in der Cheile Râșnoavei in der Nähe von Brașov (Kronstadt), weil wir einen Übernachtungsplatz suchen. Wir können unser Glück kaum fassen, als wir abgesichterte Kletterfelsen und einen Klettersteig sehen! Wir parken das WoMo mittendrin am Fluss.

Alles ist schön hergerichtet mit vielen Picknickplätzen usw. Heute erinnert nur noch das Schild mit den Eintrittspreisen, das am Anfang der Schlucht steht, daran, dass der Besuch mal kostenpflichtig war. Man kann also getrost das Schild links (bzw. rechts) liegenlassen und so weit mit dem Auto hineinfahren, wie man möchte.

Das Gelände inklusive Kletterfelsen wird von der rumänischen Armee als Übungsgelände genutzt. Das wissen wir nur, weil die auch gerade da sind. Da wir keine Topo von der Gegend haben, fragt Alex am Abend einen jungen Soldaten über die Felsen aus. Er zeigt ihm netterweise einen Felsen mit leichteren Routen. Und da stehen wir dann am nächsten Tag, klettern vier Routen bis die Finger wehtun. Bis auf die eine kleine Route in der Cheile Dobrogei haben wir über ein Jahr lang seit Alex‘ folgenschwerem Sturz in Sadernes klettermäßig nichts mehr gemacht.

Die Finger tun zwar weh, aber wir sind noch nicht müde. Mir fällt der Klettersteig ein, der sich weit über uns in luftiger Höhe befindet. Ich bin noch nie einen Klettersteig gegangen, das steht aber schon lange auf meiner Liste. Also gehen wir’s an. Der „Thrill“, sag‘ ich mal, liegt hier in der Aussage des jungen Soldaten, der Alex tags zuvor erklärt hat, dass sich der Klettersteig in nicht gutem Zustand befände. Es seien teilweise Sicherungsseile entfernt worden. Der Betreiber hat früher mal Geld für die Tour genommen und normalerweise sollte man den Klettersteig hier mit einem Guide machen. Wir wollen natürlich allein hoch, müssen aber darauf vorbereitet sein, dass der Betreiber Sicherungspunkte oder Nägel entfernt hat, um ein Betreten ohne Bezahlung zu verhindern.

Cheile Rasnoavei Klettersteig von unten
Klettersteig von unten

Alex präpariert für jeden Seile mit zwei Karabiner zum Einhängen (unser „Klettersteigset“) und packt Expressen, Karabiner und ein 60m-Kletterseil ein, damit wir uns sichern und ggf. auch abseilen können. Der Einstieg befindet sich mitten in der Schlucht, wo auf einem Schild „Via Ferrata“ steht. Hier muss man den Fluss überqueren (Holzlatte oder Steine). Sobald man am Fels steht, sieht man die ersten Sicherungspunkte. Wir hängen uns ins Seil. Der erste Teil besteht aus leichter Felskletterei, dann kommen die ersten Nägel, an denen wir hochklettern. Jetzt müssen wir die erste Stelle ohne Sicherung überwinden. Über Klammern steigen wir nach oben, wobei wir uns an den Klammern selbst sichern. Als nächstes müssen wir eine wacklige Strickleiter hoch. Schließlich stehen wir am Quergang. Hier müssen wir zum Teil am Überhang an Schrauben und an einer Kette traversieren. Ich kann den Klettersteig teilweise nicht so genießen, weil er in luftiger Höhe derart ausgesetzt ist, dass es Überwindung kostet, weiterzugehen. Mit der Aussage des jungen Soldaten („kein guter Zustand“) mag man das vielleicht nachvollziehen können. Die Sicherungspunkte liegen derart weit auseinander, dass man viele Meter am Fels in die Tiefe stürzt, sollte man fallen. Sowas tut richtig weh. Schlimmer noch: man würde seinen Kletterpartner, der unter einem klettert, mitreißen. Der Gedanke daran sorgt für Schweißbildung an meinen Händen. Ganz blöd. Außerdem tun schon meine Hände weh, weil ich mich so an die Eisennägel klammere. An Ketten und über Nägel klettern wir weiter hoch.

Wir passieren die Bungee-Jumping-Anlage, von der man in den Kessel springen könnte, wenn sie denn noch in Betrieb wäre.

Ich bin längst nicht so entspannt, wie das auf dem Bild da aussieht. Die Bungee-Jumping-Anlage ist verrostet und mir schlottern die Beine nach dem ersten Teil des Klettersteigs.

Nach dieser Anlage geht es noch einmal 30-45 min weiter hinauf. Nach 2 Stunden haben wir mit 220 Höhenmeter das Ende des Klettersteigs, der sich in einer Höhe von ca. 1.500 m befindet, erreicht. Der Klettersteig erfordert, insbesondere durch den leichten Überhang, viel Armkraft.

Durch einen Wald muss man sich den steilen Rückweg selbst suchen. Wir verlaufen uns ein bisschen, weil da Wege sind, die nicht nach unten führen.

Der Klettersteig lohnt sich: man hat einen schönen Blick auf die Schlucht und die Bergspitzen der Karpaten.

Wer Bären sehen will, folgt dem Weg einfach noch etwas in den Wald (Poiana Inului). Irgendwann versperrt ein Schlagaum den Weg. Wenn man ab dort ein bisschen wandert und ganz viel Glück hat, sieht man vielleicht einen Teddy. Wir sind wieder umgedreht, weil es am nächsten Tag – mal wieder – geregnet hat. Gut, dass wir den Klettersteig noch schnell tags zuvor am Nachmittag gemacht haben.


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