Odyssee Teil 3 – Grenzmarathon im Schneckentempo

Der kürzeste Weg für uns nach Rumänien wäre der Weg über die transnistrische Grenze gewesen. Transnistrien ist aber eine abtrünnige Republik, bei der man nicht so genau weiß, was einen bei der Grenzabfertigung erwartet. Außerdem kann Viktor uns nicht über das Grenzgebiet abschleppen, weil er seine Papiere nicht dabei hat. Wir müssen es also aus eigener Kraft über die Grenze schaffen. Deshalb ist der Grenzübergang bei Reni für uns am idealsten. Wir stehen also hinter Reni am ukrainisch-moldawischen Grenzgebiet. Wir finden vor der Grenze ein WLAN und Alex lädt sein Aldi-Talk Guthaben vorsorglich mit 120 € auf. Wer weiß, was uns der Grenzgang bringt…

Auf der Karte sieht das Grenzgebiet ziemlich klein aus, bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass wir etliche Kilometer mit unserem kaputten Differential schaffen müssen. Ob das mal gut geht….

Ukraine-Moldawien

Mit 1 km/h und dem Scheppern im Differential rasen wir gegen 13 Uhr vor zur Grenzabfertigung. Wir sollen uns ganz rechts hinstellen. Wir müssen in ein Büro, Zimmer Nr. 4. Hier guckt man sich unsere Pässe an und weil wir Automobiltouristen sind, müssen wir einen Zollzettel ausfüllen für die Ausreise aus der Ukraine; ähnlich wie bei der russischen Einreise, nur dass es dieses Mal richtig ist, dass ich einen Zettel für Alex inklusive Auto und einen für mich ausfülle. Wir stellen fest, dass man an Grenzen überhaupt nichts richtig machen kann. Die Grenzbeamten können kein Englisch, also zeigen sie auf Bilder hinter uns: Wir werden gefragt, ob wir Waffen dabei hätten. Wir schütteln die Köpfe und ich denke siedendheiß an unsere Machete. Nach der letzten Grenzkontrolle hatte Alex diese extra gut unter der hinteren Sitzreihe versteckt. Ob wir starke Medikamente dabei hätten. Was heißt stark? Narkotika zB. Wir schütteln die Köpfe. Geld? Nein, nicht mehr als erlaubt. Antiquitäten? Nö. CS-Gas? Nein, nur Pfefferspray. Der Grenzbeamte schaut auf. Aha, Pfefferspray. Ja, aber das sei eben kein CS-Gas und außerdem sei das schon total alt, von 2010, wahrscheinlich funktioniere das schon gar nicht mehr, sagt Alex. Der Mann guckt trotzdem interessiert und sagt, dass wir damit gar nicht hätten in die Ukraine einreisen dürfen. Zur Erinnerung: Wir wollen RAUS aus der Ukraine, nicht rein! Er will das Auto sehen.

Es fängt im Fahrerhaus an. Dort hängt das erste Pfefferspray, 10 ml von 2010. Es wird gedreht und geguckt. Schließlich ist das ok. Keine 5 Minuten später findet der Mann natürlich auch die extra gut versteckte Machete. Er nimmt sie aus dem Schaft und dreht sie. Er findet sie cool. „Gerber!“ stellt er fest. „You like it?“ fragt Alex. Natürlich! Alex erklärt vorsorglich, dass die Machete zum Beschneiden von Bäumen, die eventuell im Weg sein könnten, gedacht sei. Ich bin erleichtert, als die Machete im Auto bleiben darf. Sie gucken und gucken, sind mit dem ganzen Material, den Staukisten, Fächern, Zwischenboden, den Schränken und Sonstiges, das wir dabeihaben, überfordert. Alles, aber auch wirklich alles wird durchsucht (bis auf die Tanks). Das ist unsere erste GRÜNDLICHE Durchsuchung an einer Grenze.

Er findet unsere Reiseapotheke. Ich habe die Reiseapotheke von Siemens dabei. Weil ich viel auf Geschäftsreisen war, wurde ich damit ausgestattet. Darüber hinaus habe ich von meiner letzten Erkrankung noch Antibiotikum übrig, das man ja schon mal gut gebrauchen kann. Ich werde gefragt, was das ist. Ich erkläre. Der Beipackzettel wird herausgesucht und studiert. Alex und ich denken in dem Moment an einen Bericht, den wir über Georgien gelesen haben: Vater und Sohn standen an der Grenze in Georgien und hatten Hustentabletten dabei mit einem Stoff, der in Georgien verboten ist. Der Vater wurde angeklagt und es folgte eine langwierige Prozedur durch die georgische Justiz, bis er wieder frei war. Bei uns ist alles ok. Er findet sogar den Fliegenfänger, den wir schon gesucht hatten! Ob wir einen Safe dabei hätten. Ja, klar. Zwei sogar, kleine, ganz kleine, nur für Schlüssel. Sie wollen sehen. Interessiert gucken sie sich unsere Mini-Safes an, aber alles ist in Ordnung.

Während Alex zusammen mit dem Grenzbeamten schwitzt (die Sonne knallt bei 26 Grad auf uns herab), warte ich draußen und streichle den ukrainischen Drogenspürhund, der Schnupfen hat. Er niest mir mehrmals auf die Hand. Außerdem guckt er mich an, als wolle er fragen, ob ich „was dabei hätte“:

Der niedliche Drogenspürhund
Der niedlichste Drogenspürhund, den ich kenne!

Dann guckt der Grenzbeamte in die Schublade, in der ich Münzen und Scheine aus den Ländern, die ich in der Vergangenheit besucht habe, gesammelt habe und noch sammle. Der Mann findet eine 5-Pfennig-Münze aus Deutschland von 1949. Oh oh, Problem, Problem! Ich hatte die aufgehoben, weil auf den 1949ern Münzen noch „Bank Deutscher Länder“ steht und ich fand das irgendwie hübsch, weil sie natürlich seltener waren, als noch Pfennig und DM offizielles Zahlungsmittel der Bundesrepublik Deutschland war. Ich wusste gar nicht, dass ich die noch habe!  Da, er findet noch eine und NOCH eine! Er gibt Alex die drei Münzen in die Hand. Wir sollen mitkommen.

Im Büro schließlich tippt er auf eine Stelle seines Tisches: genau da soll Alex die Münzen ablegen. Er zeigt auf das Bild „Antiquität“. Wir schütteln energisch die Köpfe. Die seien nichts wert. Tatsächlich sind bestimmte Prägungen schon noch was wert, aber garantiert nicht in dem Zustand meiner Münzen. Das ist schon geil: da fragt man VORHER, ob man kritische Sachen dabei habe, muss auch noch unterschreiben, dass die gemachten Angaben stimmen und erst DANN kriegt man jede Menge Ärger. Zurück zu den Münzen: Alex fragt den Grenzbeamten, ob er die Münzen haben wolle. Er schüttelt den Kopf. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Im Computer sucht er nach Vorschriften bezüglich Antiquitätenschmuggel und was darunter zu subsumieren ist. Er klickt und scrollt. Ich kann das gar nicht nachvollziehen, weil es ja schließlich deutsche Münzen sind, und keine ukrainische Rarität. Er berät sich mit Kollegen. Nach endlosen Minuten das Urteil: wir dürfen die Münzen behalten, alles sei in Ordnung.

Wir bekommen unsere Pässe und müssen zum Migrationsamt, Schalter 2. Dort begutachtet man nochmals unsere Pässe. Schließlich müssen wir zur Passkontrolle, gegenüber dem Gebäude, in dem wir uns gerade befinden. Das geht schnell und wir haben einen Ausreisestempel im Pass. Wir müssen zurück und zur Polizei (moldawisch oder ukrainisch? keine Ahnung), Zimmer Nr. 1. Alles ist schnell geprüft und in Ordnung. Dann müssen wir zum moldawischen Zoll, Schalter 3. Das Auto reist ja nach Moldawien ein, auch wenn wir im Grenzbereich nicht vorhaben, abzubiegen. Das ist egal, wir müssen 5 € für eine Vignette bezahlen, die wir nie nutzen werden. Also ab zur Kasse, Schalter 5, zum Bezahlen. Wir bekommen 20 Moldawische Lei zurück und fragen uns, ob wir die nicht lieber schnell entsorgen sollten, wer weiß wie alt die sind :). Wieder zurück beim Zoll, Schalter 3; wir bekommen die Fahrzeugpapiere zurück. Da wir sämtliche Schalter durchhaben, dürfen wir fahren. Wir verstauen schnell alles wieder in die Schubladen und Schränke. Es ist bereits 15:30 Uhr.

Wir tuckern zur Moldawischen Einreise. Hier will man den Zettel haben, auf dem steht, dass wir für eine Vignette bezahlt haben. Nachdem das geklärt ist, wird nur kurz ins Fahrzeug geschaut, wir werden nach der Reiseroute gefragt, bekommen einen Einreisestempel von der Passkontrolle und wir dürfen passieren.

Moldawien-Rumänien

Wir tuckern zur Moldawischen Grenze zur Ausreise. Die LKW-Fahrer, die links von uns aufgereiht stehen und auf ihre Abfertigung warten, lachen uns an und fragen irgendwas; wahrscheinlich, warum wir so langsam sind. Ich glaube, sie hören das selber.

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Wir müssen zwei Kilometer in dem Schneckentempo zur Moldawischen Grenze. Die Straße zu den einzelnen Grenzstationen ist von unserer Seite aus abschüssig. Haben wir Glück oder was? Wir können also mit möglichst wenig Druck im Standgas fahren, was aber trotzdem nicht verhindert, dass das Differential manchmal laut knackt. An der Moldawischen Grenze ist man wirklich lieb zu uns, merkt, dass etwas mit dem Auto nicht stimmt. Jürgen kommt hinzu; er spricht Deutsch. Die Jungs wollen das Auto von innen sehen. Nach einem kurzen Blick ins Innere nicken sie anerkennend, wir bekommen unseren Ausreisestempel und einen Handschlag von Jürgen. Alex ruft den rumänischen Dispatcher an, der sich um unsere Abschlepperei kümmert. Wir hatten zuvor einen Anruf bekommen, dass der Abschlepper innerhalb einer Stunde an der rumänischen Grenze sein könne. Also rufen wir ihn ein kleines bisschen voreilig an, als wir an der Moldawischen Ausreise stehen.

Jetzt müssen wir noch zur Rumänischen Grenze. Die liegt nochmals über 2 km entfernt, wir müssen über eine Brücke, bei der wir die Finger kreuzen, dass wir nicht mitten auf der schmalen Brücke stehenbleiben und den Verkehr aufhalten. Alles geht gut und wir stehen an der Rumänischen Grenze. Das dauert komischerweise extrem lange. Wir reihen uns in die EU-Linie ein und warten und warten und warten.

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Drogenspürhunde werden an die Fahrzeuge vor uns gelassen; alles wird genauestens überprüft. Als wir dran sind, fragen die Jungs, was los sei. Wir erklären unser Dilemma. Unser Abschleppwagen ist auch schon da und wir zeigen drauf. Der junge Mann spricht etwas in seinen Walkie-Talkie und ich denke schon: Super, das geht dann ja schnell! Denkste. Die Jungs schauen nur kurz mal durch, gratulieren uns zum tollen Wagen und sind wieder draußen. Wir wollen schon losfahren, als eine Frau uns sofort wieder stoppt. Sie guckt streng und will auch noch mal ins Fahrzeug. Aber sie sucht gar nichts, sondern wollte das Fahrzeug wahrscheinlich auch nur von innen sehen. Wir sind entlassen und dürfen unserem Abschleppdienst entgegenfahren. Es regnet in Strömen.

Der rumänische Abschleppdienst, Teil 1

Als wir vor dem gelben Abschleppwagen stehen, versteht Alex die Welt nicht mehr: der Abschleppwagen ist viel zu klein für den Fusel. Damit kann der junge Mann, der ihn fährt, zwar zwei PKW abschleppen, aber doch keinen 7,5 Tonnen schweren Fusel.

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der erste Abschleppwagen

Alex erklärt ihm, dass das nicht passt. Das will der junge Mann aber nicht so richtig wahrhaben. Er würde den Fusel einfach rauffahren, ungeachtet der Tatsache, dass unser Fusel 3,50 m und der Abschleppwagen an der höchsten Stelle 1,50 m hoch ist. Wir diskutieren. Er will natürlich nicht umsonst gekommen sein und misst trotz der eindeutigen Höhe ständig unseren Fusel aus. Er will es sich schönrechnen. Als er trotz mehrfacher Einzel- und Gesamtvermessung nicht auf das gewünschte Maß kommt, bezweifelt er einfach das Vorhandensein unserer Dachluken. Alex telefoniert mit dem Dispatcher und fragt ihn, warum wir eigentlich unsere genauen Maße durchgeben, wenn dann ein Truck kommt, der niemals einen LKW abschleppen kann. Der Dispatcher spricht noch mit dem jungen Mann. Irgendwann sieht der auch ein, dass das nichts bringt und fährt wieder. Dann sprechen wir noch mal mit dem Dispatcher, machen deutlich, dass es für uns überhaupt kein Problem sei, wenn der andere Abschleppwagen erst am nächsten Tag käme. Wir sind so müde.

Wir gehen nochmal zur Grenzstation und fragen dort nach, ob es in Ordnung ginge, wenn wir im Grenzgebiet übernachten würden. Erst will man uns in den nächsten Ort schicken, der 10 km entfernt liegt. Jo, lass mal rechnen: 10 km mit 1km/h…, dis kann dauern. Als wir ihnen sagen, dass wir mit nur 1-2 km/h vorankommen, lassen sie uns an Ort und Stelle übernachten. Wir kochen und sind gegen Mitternacht endlich im Bett. Aber nicht mehr lange…


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