Als wir von Rovaniemi Richtung Süden fahren, laufen plötzlich Rentiere über die Straße:
Autos scheinen die Tiere nicht aus der Ruhe zu bringen, wohl aber aufdringliche Paparazzi, die aus dem Fahrzeug hüpfen und im Schnee hinterherstapfen, um Fotos zu schießen.
Unser nächstes Ziel ist Korouoma, ein Naturschutzgebiet in der Nähe von Posio. Hier soll es eine Möglichkeit zum Eisklettern in einem Canyon geben. Wir parken das WoMo auf einem ruhigen Parkplatz im Wald und erkunden am Nachmittag erst mal den Canyon. Die Runde ist ungefähr 5 km lang und wir sehen drei Wasserfälle. Den Marmuttiputous (Mammoth Fall) suchen wir uns aus und wollen ihn morgen erklettern. Die anderen beiden (Ruskea Virta und Jaska Jokunen) sehen uns zu steil und zu hoch für den Anfang aus.
Am nächsten Tag geht es um die Mittagszeit los: seit wir die finnische Grenze passiert haben, ist es mit dem Frühaufstehen schwieriger geworden. Nicht nur die Zeitumstellung hat uns eine Stunde geraubt, sondern auch noch der Zeitzonenwechsel. Und zwei Stunden sind definitiv zu viel :). Wir packen alles ein, was wir so haben, denn: auf’s Eisklettern sind wir gar nicht vorbereitet. Wir haben zwar Eisschrauben, Steigeisen und Eisäxte, aber alles ist zum gemischten Klettern beim Bergsteigen/Skimountaineering gedacht. Wir haben sechs Eisschrauben in drei verschiedenen Größen, zwei Halbseile, Klettergurte mit Exen, ATC, Schlingen und anderes Kletterequipment, jeweils zwei Eisäxte, Kletterhelme und Steigeisen mit und laufen in Skitourenschuhen (wir haben keine anderen steigeisenfesten Schuhe) die 2,5 km zum Wasserfall. Alex klettert am Wasserfall ganz rechts im Vorstieg hoch, setzt auch die erste Eisschraube, aber nach dem ersten steilen Stück merkt er, dass der restliche Weg doch ziemlich steil ist. Das Eis ist überwiegend sehr brüchig: Lufteinschlüsse sorgen bei uns für Unsicherheit, ob das Eis die Eisschrauben hält. Alex sichert sich an einem Baum und seilt ab; ich klettere diese ersten 15-20 m im Toprope hoch und merke bei jedem Schlag mit der Eisaxt, was Alex meinte.

In der Zwischenzeit entdeckt Alex einen Pfad, der sich links am Wasserfall nach oben schlängelt. Mit Steigeisen und Eisäxten folgen wir diesem Pfad und schauen uns oberhalb des Wasserfalls um. Wir finden eine Baumgruppe von drei Bäumen, an denen Alex einen Standplatz vorbereitet: so können wir gesichert im Toprope klettern. Wir klettern beide schon seit einigen Jahren, aber das Eisklettern ist doch noch mal eine ganze andere Hausnummer. Die senkrechten Passagen bringen uns selbst im Toprope gesichert zum Schwitzen. Abrutschen möchte man selbst im Toprope nicht, denn mit den spitzen Steigeisen kann man sich mächtig wehtun. Die Eisäxte werden mit jedem Meter schwerer. Hinzu kommt die Kälte an der Eiswand. Je höher ich komme, desto schwerer wird es für mich, die Äxte in das Eis zu schlagen. Die Arme werden lahm und und die Bewegungen unkontrollierter. Ich schaffe es, mir die linke Eisaxt auf den Kopf zu hauen, was ich trotz Helm deutlich spüre. 😀 (Danke, Helm!) Das Risiko, große Eisbrocken herauszuschlagen und sich selber und/oder seinen Sicherungspartner zu treffen, der unten steht, ist groß!
Die Eiswände neben uns haben bereits große Risse. Während Alex mich sichert, brechen rechts von uns Eisstücke heraus und fallen herab.
Alles in allem finden wir das Eisklettern auch mental wesentlich anstrengender als das Felsklettern. Nach zwei Routen in der 40-45 m-Wand haben wir genug. Wir sind 6 Stunden am Eis und uns reicht fürs Erste dieser Einblick in die Eiskletterei.
Wer das gerne macht und nach interessanten Routen sucht, dem sei dieser Canyon wärmstens empfohlen! Es gibt unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Der Mammoth-Waterfall ist an der höchsten Stelle um die 50 m hoch. Der Ruskea Virta ist wesentlich höher und anspruchsvoller.
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Hier eine Übersichtskarte über die Wasserfälle: Posio-Canyon.
Infos zu Wanderungen im Canyon; es gibt viele kostenlose Übernachtungsplätze, teilweise auch mit Grillstationen, auf den Wanderungen
Wer Eisklettern gerne im Rahmen einer geführten Tour machen möchte, kann sich hier informieren.