Nach etwas mehr als 7 Wochen auf Island ist es Zeit, unsere Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Wo wir am Anfang noch sehr naiv ohne Wetter- und StraßenApp losgefahren sind und gleich am ersten Tag im schweren Sturm festhingen, verging kurz darauf kein Tag mehr ohne Check von road.is und en.vedur.is. Das Wetter kann sich sehr schnell ändern, teilweise sogar mehrmals täglich. Wo man eben noch Sonne und wolkenlosen Himmel genossen hat, kann man im nächsten Moment im tiefsten Schneesturm stecken. Wenn man dann noch allein unterwegs ist und/oder nicht warm genug gekleidet, kann es passieren, dass man das mit dem Leben bezahlt. Letztes Jahr sind über 400 Notrufe eingegangen; gute 200 davon galten Touristen. Die Helfer haben viel zu tun. Während unseres Aufenthaltes haben wir immer wieder Autos abseits der Straße im tiefen Schnee stecken sehen – oft ver- oder überschätzen sich die Leute. Wir hatten Glück, dass wir die Stürme unversehrt überstanden haben. Dass das Herumreisen im Winter nicht harmlos ist, zeigt auch, dass Magnea beinahe einen Suchtrupp nach uns losschicken wollte, weil wir sie aufgrund fehlenden Internets nicht informieren konnten, wo wir gerade waren. Kurz bevor sie den Anruf tätigen wollte, ging unsere Email bei ihr ein. Das Fahren selber ist im Winter eine Herausforderung! Man muss gut mit dem Fahrzeug umgehen können, darf auf keinen Fall in Panik geraten oder ruckartige Bewegungen mit dem Lenkrad machen. Die Straßen, selbst die Ringstraße, tragen eine dicke Eisschicht! Bremsen wird da zum Wunschgedanken. Die Hauptstraßen werden zwar größtenteils geräumt (dh, der Schnee wird zur Seite geschoben), aber bei viel Schneefall ist es schwierig, der Schneemassen Herr zu werden; da kann teilweise sogar die Ringstraße gesperrt sein. Und so kann man dann entscheiden: riskiere ich die Fahrt durch den tiefen Schnee oder lass‘ ich’s lieber sein… Es gibt übrigens ein liebevoll gemachtes, lustiges Filmchen auf der drive.is-Seite: (klicken, dann öffnet sich der Link) Driving with Elfis (not Elvis). Da sitzt ein aus dem Nichts auftauchender Elf plötzlich im Auto einer Familie und erklärt das sichere Fahren auf Island, wirklich witzig.

Daher stellt sich die Frage: Island im Winter – eine gute Idee?
Unseren ursprünglichen Plan, bereits Ende September/Anfang Oktober 2015 auf Island zu sein, mussten wir aufgrund der Probleme bei der Fahrzeugabholung im Oktober und November noch einmal überdenken. Dennoch entschieden wir, an der Route festzuhalten und sind im vollen Bewusstsein im Winter dorthin gereist! Wir wurden mehrfach gefragt, ob wir das wirklich für eine gute Idee halten. Selbst der isländische Zoll fragte uns das, aber da war es ja ohnehin schon zu spät. Und ja, es war und ist eine gute Idee. Vielleicht würden wir nicht noch einmal den Dezember als Reisemonat wählen, wo man durch das Wetter sehr stark eingeschränkt ist. Wenn wir noch einmal fahren würden, würden wir einen Reisezeitraum zwischen Februar und April für eine Winterreise wählen. Klar ist, dass man zu dieser Zeit nicht ins Hochland kommt. Wir haben’s immer mal wieder versucht, sind aber jedes Mal gescheitert: zu schwer, die falschen Reifen – na ja, eben das falsche Fahrzeug. Selbst die Super-Jeeps mit ihren Ballonreifen kommen hier an ihre Grenzen.
Andererseits verpasst man dann den Zauber des Weihnachtsfestes auf Island, denn der ist wirklich schön: Island hat nämlich sage und schreibe 13 Weihnachtsmänner! Diese bringen nacheinander an 13 Tagen ab dem 12. Dezember bis zum 24. Dezember Geschenke. Das ist mal toll! Die ganze Geschichte, wie es dazu kam, hier zu erzählen, würde etwas den Rahmen des Blogs sprengen, daher verweise ich einfach auf den Link, für die, die nachlesen möchten: Islands 13 Weihnachtsmänner (sehr witzig geschrieben). Die 13 Weihnachtsmänner haben so hübsche Namen wie Topfschaber, Türzuschläger, Kochlöffellecker, Quarkgierschlund, Wurststibitzer, Fenstergucker, Türschlitzschnüffler usw. Und wegen der 13 Weihnachtsmänner, die, nachdem sie gekommen sind, wieder nacheinander verschwinden, wird auch bis zum 6. Januar „silvestert“.
Die Feuerwerkskörper werden größtenteils von gemeinnützigen Organisationen verkauft, deren Einnahmen einem guten Zweck zugute kommen. Zu Silvester werden überall im Land große Silvesterfeuer, sogenannten Bonfire entfacht, wo sich Menschen zum Quatschen und Singen treffen. Auch wenn man ohnehin ab dem 25. Dezember immer wieder Feuerwerkskörper explodieren sieht, ist es am 31. Dezember ganz wild: da knallt es den ganzen Tag über schon ordentlich, aber ab 23:30 Uhr rasten die Isländer so richtig aus und können sich nicht mehr zurückhalten. Sie feuern bis 1 Uhr nachts, dass es nur so qualmt; erst danach wird es langsam weniger. Wir haben diesen kriegsähnlichen Zustand in Reykjavík miterlebt (im Schneesturm hin zur Hallgrímskirkja, Jahreswechsel im Hagelschauer und im Schneesturm wieder zurück) – großartig!
Im Winter zeigt sich Island bei schönem Wetter in wunderschönen Pastelltönen! Serviert mit Polarlichtern, schneeweißen, prächtigen Fjorden, vielen vereisten Wasserfällen, mehrstündigen Sonnenauf- bzw ~untergang…. Braucht es noch mehr Gründe?

Wir wollten Island zu einer Zeit erleben, in der wir nicht mit tausenden Touristen die Pfade entlanglaufen. Das Bild „Island als Abenteuerland“ hat sich in den Jahren gewandelt. Sämtliche Abenteuer kann man buchen und somit gelangt jeder ohne Anstrengung auch in die entlegensten Winkel des Landes. Umso mehr gilt jetzt: „Iceland – it’s more exploding than exploring!“ Wir haben die ausgetretenen Pfade an den Wasserfällen gesehen und möchten uns gar nicht vorstellen, welche Menschenmassen im Frühjahr und Sommer hierher strömen. Aber auch im Winter ist Island nicht mehr ganz vor Touristen sicher (siehe uns): im „Golden Circle“ treiben sie auch bei frostigen Temperaturen in Mietwagen oder auf gebuchten Abenteuertouren ihr Unwesen. Wohnmobile fahren im Winter selten; wir sind lediglich zwei Campern begegnet. Die Temperaturen sollte man nicht unterschätzen: durch den Wind fühlt es sich deutlich kälter an als die Anzeige des Thermometers vermuten lässt. Das ist besonders gemein, wenn man ungeschützt auf einem Berg steht. Bäume sucht man auf Island vergeblich, daher hat der Wind überall „freie Fahrt“. Vielleicht ist das auch ein Grund für dieses witzige Bild:

Und weil wesentlich weniger Touristen im Winter den Weg nach Island finden, sind die Isländer, die sehr freundlich sind, insbesondere im Winter NOCH freundlicher, weil dann ein bisschen Ruhe einkehrt auf der Insel. Daher kann man als Wohnmobilfahrer im Winter auch getrost nach Wasser oder Wäschewaschen fragen und erntet nur willkommene, freundliche Blicke. Wonach wir auch fragten, wir bekamen sofort Hilfe.
Das Leben auf Island ist sehr teuer – das sagen sogar die Isländer. Ich habe mal gefragt, warum zB das Wäschewaschen so teuer ist (700-900 ISK pro kleiner Waschmaschine oder Trockner), wo doch Wasser und Elektrizität günstig zu haben ist. Das sei eben so; auf Island sei eben alles teuer. Die Lebensmittelpreise sind rund dreimal so hoch wie in Deutschland (und das kann nix damit zu tun haben, dass alles auf die Insel gekarrt oder geflogen werden muss; auch in Deutschland kommen die Bananen u.a. aus Ecuador). Auf Island gibt es grell erleuchtete Gewächshäuser, in denen zB Tomaten wachsen und gedeihen, die dann aber teurer sind als die aus Holland. Und weil das Leben so teuer ist, arbeiten die Isländer sehr viel (etliche haben mehrere Jobs) und verbringen ansonsten viel Zeit zu Hause. Dort machen sie es sich richtig schön. Man kommt gar nicht umhin, einen ganz kurzen Blick in die vielen offenen Fenster zu werfen, um ins helle, warme, freundliche Innere eines Hauses oder einer Wohnung zu schauen. Ich würde sofort einziehen! Übrigens: die Bürgersteige und Straßen in Reykjavík sind NICHT überall beheizt; wir haben das getestet :)!
Die langen dunklen Tage haben wir als nicht so störend empfunden, wie wir vermutet hätten. Ja, es wird bereits gegen 15:30 dunkel, aber trotzdem kann man im Dezember/Januar noch bis 16:30 Uhr im restlichen Tageslicht herumlaufen. Fürs Skifahren abseits der Piste ist das natürlich schon zu spät. Apropos: aufgrund der ständigen starken Temperaturschwankungen und des starken Windes war es für uns sehr schwer, geeignete Skimountaineering-Gebiete zu finden. Entweder war die Lawinengefahr einfach zu groß oder es lag insgesamt nicht genug Schnee oder es lag zwar grundsätzlich genug Schnee, aber der starke Wind blies den Schnee an vielen Stellen einfach weg, so dass es zum Skifahren wieder nicht reichte. War das Wetter gut, sind wir zu Skigebieten gefahren und haben Touren am Rande der Skigebiete unternommen (zB Skigebiet am Hlíðarfjall bei Akureyri und Bláfjöll (nicht zu verwechseln mit dem Berg Bláfell, das liegt ganz woanders) in Reykjavíks Nähe.

Übrigens: Island und Grönland – sind da Namen vertauscht? Trotz der eisigen Temperaturen auf Island müsste doch eigentlich Island Grönland und Grönland Island heißen, oder nicht? Als der Isländer „Erik der Rote“ (den Namen hat er sich einfach selber gegeben), der von Island verbannt wurde, weil er seinen Nachbarn erschlagen hatte, sich nach Westen zu einer Erkundungstour aufmachte und schließlich die östlichen Küsten einer gewaltigen Insel erforschte, entschied er sich bei der Namensgebung für das werbewirksame „Grönland“ (Grünes Land) als Gegensatz zu Island (Eisland). Ein netter Scherz vom lieben Erik, der zurück auf Island den Isländern Märchen von Wäldern, Sümpfen, Wiesen usw erzählte. Wer Island mal gesehen hat, weiß, wie karg diese Insel ist und man kann sich gut vorstellen, was Eriks Märchen in den Menschen ausgelöst haben muss. Jedenfalls ging Eriks Marketinggag auf, denn die Isländer entflohen der zu der Zeit von Hungerkatastrophen geprägten Insel. Und Erik sprach: „Die Leute gehen lieber dahin, wenn das Land einen schönen Namen hat, also nannte ich es Grünes Land.“
Nochmals großen Dank an Dich, liebe Magnea, für Deine (berechtigte) Sorge um uns in den ganzen 7 Wochen unseres Aufenthaltes, für Deine Gastfreundschaft und das leckere Abendessen bei Dir in Reykjavík sowie die interessanten Einblicke in das isländische Leben! Wer übrigens eine sehr sympathische, fröhliche deutsch-/englischsprachige Reiseleiterin für Island sucht, die sogar ihr Gästezimmer oder auch manchmal ihre ganze Wohnung (im Herzen Reykjavíks!) an Reisende vermietet, dem können wir Magnea Jónsdóttir nur ans Herz legen: magneabj@hive.is, auch über Facebook zu finden!!! Magnea ist ein Jahr lang mit ihrem Sprinter in Europa unterwegs gewesen und hat viele lustige Geschichten auf Lager :)!
Ich habe bereits in der Zusammenfassung über Island (siehe Menü „unsere reisen/europa/island“) festgestellt, dass die Insel von oben betrachtet und wenn man die Karte ein bisschen dreht, aussieht wie ein Rentier mit einem groooooßen Sack voller Geschenke (Landschaften, Naturphänomene). Es lohnt sich, diese Geschenke zu den verschiedenen Jahreszeiten zu öffnen und zu bestaunen.
Und Island im Winter: Na klar! Nicht ungefährlich, aber wunderschööööön!!!!
🙂
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