Der zweite Sturm seit unserer Ankunft hat uns schön zugeschneit. Wir ziehen auf die Vorderräder Schneeketten drauf und Alex gibt mit Allrad und Untersetzungsgetriebe Vollgas nach vorn. Nach einigen Metern bleibt er stecken: die Schneeverwehung ist einfach zu hoch. Wir stecken bis zur Stoßstange im Schnee. Also rückwärts wieder raus und Wenden in gefühlt 80 Zügen auf dem kleinen, nicht ganz so verschneiten Stück des Parkplatzes, hinter uns liegt nämlich weniger Schnee. Das WoMo rutscht auf der Schneeverwehung hin und her, aber wir schaffen es zurück auf die Ringstraße.
Wir halten noch an einem kleinen See vor Mývatn. Früher war das mal ein für alle zugängliches Naturbad. Heute warnen Schilder potentielle Badegäste. Die Temperatur des Gewässers hat sich von angenehmen 40 Grad auf über 50 Grad verändert und darf daher nicht mehr betreten werden. Schade, sieht er doch trotz allem immer noch sehr einladend aus (ok, abgesehen davon, dass rechts sowie an anderen Stellen kochend heißes Wasser in den See schießt):
Nächster Stopp ist der Goðafoss-Wasserfall. Wir müssen eine verschneite Piste entlang fahren. Auf dem Weg zum Parkplatz winkt eine Frau aufgeregt mit den Armen: das britische Pärchen hat sich mit einem Leihwagen im Schnee festgefahren. Das Auto sitzt komplett auf dem Schnee auf; das Fahrzeug bewegt sich daher kein Stück. Alex holt die Schaufel und gräbt zusammen mit dem Mann das Auto frei.

Außerdem werden unsere Sandbleche gleich noch getestet, die wir unter die Hinterräder schieben. Alex, die Britin und ich schieben vorn, während der Ehemann das Auto zurücksetzt. Nach ein paar Anläufen sind sie wieder frei und sie bedanken sich überschwänglich. In dieser Gegend kommt um diese Jahreszeit kaum jemand an genau diesem Parkplatz vorbei. Alle halten am Parkplatz in der Nähe der Ringstraße, um von der anderen Seite auf den Wasserfall gucken zu können. Der Goðafoss-Wasserfall ist wirklich sehenswert:
Hier ist es allerdings durch die feuchte Luft derart kalt, dass unsere Gesichter einfrieren. Inzwischen erreicht uns die dritte Unwetterwarnung von Magnea und wir sehen es auch auf unserer Wetter-App (en.vendur.is): ein hurricane-artiger Sturm soll aufziehen!
Solange es noch schön ist, wollen wir ein bisschen Strecke machen und fahren bis nach Akureyri. Hier soll es ein Skigebiet geben, das wir uns ansehen wollen, denn wir haben erfahren, dass wir hier auch die Berge hochgehen können. Bis zum Parkplatz des Skigebiets kommen wir erst gar nicht: zu viel Schnee. Wir parken etwas weiter unten neben der Straße auf Schnee, der etwas Schotter darunter vermuten lässt. Prompt hält ein Auto neben uns: Deutsche, die nach Island ausgewandert sind. Sie warnen uns vor dem Sturm, der am Abend des nächsten Tages kommen soll. Wir sollten lieber im Ort parken und sie empfehlen uns, auf den Parkplatz des Icelandair Hotels zu fahren und zu fragen, ob wir dort übernachten dürfen. Wir entscheiden uns dagegen. Die Wettervorhersage für diese Nacht sieht gut aus. Und zum Glück bleiben wir, andernfalls hätten wir ein spektakuläres Naturschauspiel verpasst: die Aurora Borealis.

Sie wird mit zunehmender Stunde immer stärker und gegen 23 Uhr leuchtet es wundervoll am Himmel. Ich bin aufgrund der Bilder, die man immer sieht, davon ausgegangen, dass die Polarlichter immer tiefgrün sind. Tatsächlich sieht es jetzt aus wie eine weiße Wolke mit einem ganz leichten Grünstich. Aber das war ja auch das erste Polarlicht; vielleicht zeigen sich zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr Farben (zB rot in der dünneren Atmosphäre). Ich habe gelesen, dass das menschliche Auge eine hohe Empfindlichkeit für grünes Licht hat, weswegen grüne Polarlichter auch am häufigsten beobachtet werden. Darüber hinaus nimmt das Auge Farben in der Dunkelheit nur begrenzt wahr, daher unterscheidet sich die Farbwahrnehmung für jeden. Für Alex ist das Polarlicht schlicht weiß. Und zunächst eher statisch, fängt das Polarlicht später an, sich zu bewegen. Einfach wunderschön.
Am nächsten Tag fahren wir nach Akureyri, um den Sturm abzuwarten. Zunächst aber haben wir noch einige Stunden und entscheiden uns für eine Skitour. Aufgrund des heraufziehenden Sturms ist das Skigebiet geschlossen, die Lifte stehen still. Wir parken unser WoMo einfach im Industriegebiet am oberen Ende des Ortes und laufen von dort los. Bis zur zweiten Liftstation schaffen wir es, dann müssen wir bereits umkehren, denn es dämmert schon wieder und Wolken ziehen immer mehr auf. Wir müssen uns beeilen; nicht, dass uns der Sturm noch überrascht. Bei extrem schlechter Sicht fahren wir wieder ab und müssen uns dabei aufmerksam den Weg nach unten suchen, denn aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse sehen wir weder Löcher noch Schneeverwehungen, die sich wie Sprungschanzen aufgetürmt haben. Die Abfahrt dauert länger als gedacht, aber der Blick auf den Fjord ist schön.

Wir fahren schnell zum Icelandair Hotel, wie von den Deutschen empfohlen. Die Dame an der Rezeption hat nichts dagegen, dass wir auf dem Parkplatz des Hotels stehen. Der Camping Platz nebenan ist geschlossen, also haben wir ohnehin keine andere Wahl. Als Dank trinken wir je ein Glas Rotwein, zur Happy Hour für um die 10 €. Wir haben noch ein anderes Problem: unser 300 Liter Wasservorrat ist beinahe aufgebraucht. Woher Wasser bekommen im Winter? Da wir auch noch tanken müssen fragen wir an der Tankstelle nicht nur nach AdBlue, sondern auch noch nach Wasser. Beides bekommen wir! Das AdBlue wird aus einem verschlossenen Kasten außerhalb des Gebäudes für uns herausgeholt, Wasser bekommen wir von einem Angestellten der Tankstelle aus einem Schuppen nebenan. Das ist wirklich fantastisch auf Island: Nicht nur Erdwärme, sondern auch noch Wasser im Überfluss. Überall gibt es Wasserhähne; im Sommer kann man an den Tankstellen sogar sein Fahrzeug einfach kostenlos mit Wasser säubern. Im Winter jedoch ist das natürlich anders, weil die Wasserhähne einfrieren. An dieser Stelle nochmal vielen Dank an Guðjón Birgisson, vom dem wir später noch eine Nachricht erhielten mit Notfallnummern!
Der Sturm erweist sich als gar nicht so hurricane-artig wie vorhergesagt. Tatsächlich ist er gar nicht so schlimm. Das Auto wackelt ein bisschen, aber der erste Sturm war wesentlich schlimmer! Da hatten wir ja wirklich Angst, dass der Sturm das WoMo zum Kippen bringt. Da wir sonst nichts anfangen können, waschen wir Wäsche im Hostel weiter unten im Ort und kaufen Bier und Wein. Das ist auf Island nicht so einfach. In Supermärkten bekommt man lediglich 2,25%iges Bier, mehr nicht. Also fragen wir nach. Wein, Bier und andere Spirituosen bekäme man nur im Fachgeschäft. Das nenne sich „Vínbúðin“ (die Webseite http://www.vinbudin.is zeigt an, wo überall auf Island diese Geschäfte zu finden sind). In Akureyri gibt es ein solches Geschäft in der Nähe des Hostels. Wir also rein. Mir war bewusst, dass das teuer wird, aber SOOOOO teuer?

Ich hätte bei diesen Preisen ja gar nichts gekauft, aber Alex sagt: „Das ist nun mal Island, was soll’s!“ Also kauft er zwei 3-Liter-Kanister Rotwein, 12 Dosen Bier und ein kleine Flasche Amarula für stolze 140€. Und Mengenrabatt kennt man hier nicht; das heißt, man bezahlt für sechs Dosen Bier auch das sechsfache des Einzelpreises; gefühlt sogar mehr. Da kriegt man bei jedem Schluck Pipi in die Augen *lach*… Und jetzt verstehen wir auch, warum die Jugendlichen von den Färöer Inseln auf der Fähre allesamt hackedicht waren und immer mehr Alkohol im Duty Free Shop der Fähre gekauft haben!
Von dem Schock brauchen wir eine Erholung und schreiben zwei Karten. In der Post müssen wir eine Wartemarke ziehen, auch wenn nur zwei Leute anwesend sind. Hier hat alles seine Ordnung.