Zugegeben, es war ein bisschen tollkühn von uns, einfach drauf loszufahren. Und nun stecken wir bereits im zweiten heftigen Schneesturm seit unserer Ankunft fest! Die Ringstraße ist teilweise gesperrt, wir haben keinerlei Möglichkeit, irgendwo hinzukommen.
Bei unserer Ankunft auf Island haben wir weder eine Wetter- noch eine Straßen-App für Island. In Seyðisfjörður (ein hübscher Zungenbrecher, das „ð“ wird wie das englische „th“ ausgesprochen; wer das schafft, ohne Spucken auszusprechen – gratuliere) gehen wir im kleinen Supermarkt einkaufen. An der Kasse warnt uns die Kassiererin davor, nach Egilsstaðir zu fahren. Es werde ein Sturm erwartet. Wir haben ein großes Auto, sagen wir. Das sei egal! Während wir unsere teuren Einkäufe verstauen, denken wir darüber nach. Alex geht nochmal rein und ein anderer Kunde findet das gar nicht so schlimm, dass wir fahren wollen. Kein Problem, sagt er. Also fahren wir. Aus dem Ort raus, werden wir noch von LKW’s überholt und denken: Na wenn das schlimm sein soll, sind wir sicher im Fusel.
In Egilsstaðir wollen wir aber auch nicht bleiben, wir wollen weiter in den Norden. Wir fahren also die Ringstraße entlang, biegen weiter nördlich auf die Schotterpiste 917 ab. Kurz vor unserem Tagesziel Vopnafjöður kommen wir nicht über den Pass: gesperrt. „Impassable“ steht auf dem Schild. Aber ist „impassable“ gleich „impossible“? Es gibt auf Island verschiedene Sperrungen: „impassable“, „no passage“ und „closed“. „Impassable“ bedeutet, dass die Straße nicht (mehr) durchgehend befahrbar ist, sie wird auch nicht mehr geräumt. Im Winter verschwindet eine solche Straße einfach im Schnee oder eine gigantische Schneewehe versperrt den Weg. Ansonsten können da auch mal Brocken auf der Straße liegen oder die Straße ist unterspült oder hat tiefe Querrinnen. Es ist zwar nicht verboten, eine solche Straße zu befahren, aber das Schild warnt eindringlich davor, denn wenn man Hilfe benötigt, kann das so richtig teuer werden. „No passage“ bedeutet, dass das Hineinfahren strengstens verboten ist. Da es bereits dunkel ist (im Dezember bereits so gegen 15 Uhr), bleiben wir vor dem Schild stehen, und zwar etwas neben der Fahrbahn auf Schotter, wo aufgehäufte Sandhügel liegen. Als Alex rausgeht, um unter die Schneedecke zu gucken, ob wir gut stehen, sieht er eine dicke Eisschicht. Das ist das nächste Problem auf Island: man weiss nie, was sich unter der Schneedecke befindet. Schnell wieder ein paar Meter zurück auf den Schotter. Wir stehen also über Nacht möglichst nahe an der Straße.
Am nächsten Morgen ändert sich gegen 9:30 Uhr schlagartig das Wetter. Der erwartete richtige Schneesturm zieht erst jetzt über uns hinweg. Noch während wir im Schritttempo auf der Eispiste zurück zur Ringstraße fahren, wird der Sturm so stark, dass wir nichts mehr sehen können. Schließlich werden wir im Stand vom Wind 1-2 Meter über die vereiste Straße Richtung Graben geschoben.
Wir beschließen, stehen zu bleiben. Über Nacht stellen wir uns einfach ein paar Meter weiter in eine Kreuzung, mit dem Po in den Sturm. Der fegt mit um die 35 m/s (!) über uns hinweg und ist dabei so heftig, dass er unser 7,2 Tonnen schweres Wohnmobil anhebt! Was wäre passiert, wenn der Wind seitwärts auf das Fahrzeug getroffen wäre? Wir laden Emails herunter und siehe da! Eine Warnung von Magnea, dass es eine Unwetterwarnung gäbe: Die Bewohner sollen bloß nicht das Haus verlassen, lieber Plätzchen backen. Magnea warnt uns davor, weiter als bis Egilsstaðir zu fahren. Zu spät! Wir sind mittendrin. Wir laden noch die von ihr empfohlene Wetterseite und können stündlich mitverfolgen, wie schlimm es gerade ist. Es wird eine unangenehme Nacht, mit der Angst, dass das Wohnmobil umkippt, falls der Wind dreht. Wir werden so schlimm durchgeschüttelt, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Erst gegen 2 Uhr in der Nacht wird es ruhiger und am nächsten Morgen spürt man nichts mehr vom heftigen Wind. Wir müssen zwar das Auto von dicken Eisblöcken befreien, die sich insbesondere unter dem Auto gesammelt haben, aber das Wetter ist herrlich.

Wir fahren auf der vereisten Piste Richtung Mývatn, schauen uns Hverir, ein Hochtemperaturgebiet beim Pass Námaskarð, das so richtig schön nach faulenden Eiern stinkt, an

und gehen in der grünen Lagune (www.myvatnnaturebath.is), ein Naturbad mit heissem schwefelhaltigem Wasser, etwas schwimmen. Soll angeblich super für die Haut sein…, riecht halt nur nicht so lecker. Am nächsten Tag wollen wir einen Blick auf den Vulkansee Víti werfen. Dabei müssen wir ab dem Kraftwerk, dass sich am Fuße des Berges befindet, laufen, weil die Schneemassen ein Durchkommen mit dem Fahrzeug unmöglich machen. Als wir oben sind, sehen wir überhaupt keinen Kratersee. Víti ist komplett mit einer dicken Schneedecke überzogen. Es ist eisig kalt, der Wind bläst wieder sehr stark. Es schneit. Ich habe irgendwo ein Bild vom Dettifoss-Wasserfall im Winter gesehen. Klasse, denke ich, und will da hin. Als wir aber auf die Straße, die zum Dettifoss führt, einbiegen: „Impassable“! Ach was, denken wir, und versuchen’s trotzdem. Tatsächlich wird der Schnee nach wenigen Kilometern so hoch, dass wir uns ohne Schneeketten nicht trauen. Wegen der Dunkelheit fahren wir also zurück zum Parkplatz mit einer Informationstafel nahe der Ringstraße und bleiben über Nacht. Schon am Abend wird das Schneetreiben immer heftiger. Und es hört nicht auf! Der Tag heute wird zum Putztag deklariert! Was sollen wir sonst machen? Der Sturm ist so stark da haben wir keine Chance, aus dem Wohnmobil herauszukommen. Die Tür können wir nicht halten! Wenn ich jetzt rausgucke, sehe ich von der Straße nichts mehr. Komisches Gefühl, wenn man so einsam hier draußen steht. Morgen müssen wir uns freischaufeln. Inzwischen erreicht uns die zweite Unwetterwarnung von Magnea. Sie habe seit Jahren nicht so viel Schnee in Reykjavik gesehen, wir hätten aber auch eine Unwetterperiode erwischt. Ob es uns gut ginge? Na ja, wir haben genug Diesel, die Heizung läuft, Essen und Wasser reichen auch noch mindestens dre Tage. Morgen soll es ja schon wieder schön sein…, für genau einen halben Tag.
PS: Ich finde, Isländisch klingt wie das Elbisch von „Herr der Ringe“
Servus!
Ihr seid ja ganz schön tollkühn, das ihr euch in den Sturm getraut habt! 😉 Tsts..
Ich beneide ich echt drum, das ihr grad in Island unterwegs seid 🙂
Du hast da schöne Bilder gemacht! Ich wünsch euch noch viel Spaß da oben 🙂
Ciao
Tobias
p.s.: Wenn ihr zu Silvester in Reykjavík seid, seid um halb 11 an der Hallgrímskirkja!
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Hi Toby,
schön von Dir zu hören!!! 😃 Vielen Dank für deine Nachricht und vielen Dank für den Tipp hinsichtlich Silvester! Wir werden Reykjavik für Silvester in Betracht ziehen, haben aber noch keine genauen Pläne… Wir lassen es Dich wissen! 😉
Viele Grüße,
Alex & Nicole
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Servus ihr zwei!
Keine Ursache, dein/euer Blog schaue ich mir schon ne Weile immer wieder an. Aber diesmal musste ich mich einfach mal rühren 🙂
So, und jetzt muss ich noch kurz was korrigieren: die Uhrzeit stimmt leider nicht 😦 Ab halb 12 geht es an der Hallgrímskirkja los! Bis dahin wird das letzte isl. Jahr noch durch den TV-Quark gezogen. Hab ich mir damals sagen lassen.
Dann noch viel Spaß in den Westfjorden 🙂
Ciao
Tobias
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Hi Toby,
danke für Deine Nachricht! Wie bist Du eigentlich auf unsere Webseite gestoßen? Inzwischen sind wir in Reykjaviks Nähe 🙂
Verschneite Grüße vom Laugarvatn,
Alex & Nicole
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